Jess
Franco
Lange
schon wollten wir ihm die fällige Ehre erweisen und ihn
endlich aufnehmen in die Liste derer, die bei uns mit eigener
Biografie vertreten sind, doch scheute man sich immer ein wenig
vor dieser Aufgabe, denn würde man dem spanischen Vielfilmer
eine auch nur ansatzweise umfassende Biografie widmen wollen,
würde das jeglichen Rahmen sprengen, denn es käme
am Ende vermutlich ein Mammutwerk dabei heraus, das den Umfang
einer vollständigen Knaurs Enzyklopädie einnähme.
Schließlich dürfte nicht mal der Maestro selber wissen,
wie viele Filme er eigentlich gedreht hat, vor allem nicht unter
wie vielen verschiedenen Pseudonymen. Doch wenn selbst der ehrwürdige
Kölner Filmclub 813 den Mann durch eine Retrospektive ehrt
(und das tut er in einer losen Veranstaltungsreihe zu diesem
Zeitpunkt bereits seit fast 3 Monaten) können und wollen
auch wir nicht länger hinten anstehen und werfen einen
genaueren Blick auf das Leben des Mannes, der möglicherweise
mehr Vampirfilme gedreht hat, als jeder andere europäische
Regisseur, wobei diese Angabe ohne Gewähr ist. |
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Jesus Franco
Manera erblickte das Licht der Welt am 12. Mai 1930 in der spanischen
Hauptstadt Madrid. Bereits im Alter von 6 Jahren zeigte der kleine
Jesus (jetzt bitte nicht verwechseln mit seinem nicht minder berühmten
Namensvetter aus der Gegend von Golgatha) ein enormes musikalisches
Talent, welches von seinen Eltern entsprechend gefördert worden
ist. Doch dies sollte nicht das einzige Talent Francos bleiben,
so studierte er nach dem Abitur am Madrider Real Conservatorio,
an der Pariser Sorbonne und am Madrider Instituto de Investigaciones
y Experiencias Cinematográficas Sprachen, Jura, Literatur
und eben Film. Nach dem Studium überwog aber zunächst
wieder seine große Liebe zur Musik und Franco verdingte sich
als Jazzmusiker und Komponist. Bereits 1953 komponierte er seinen
ersten Filmsoundtrack für den Streifen "Cómicos"
und später für den Film "Historias de Madrid".
Fortan widmete sich Jess Franco voll und ganz der Filmarbeit.
Ab etwa 1955
begann Franco Drehbücher zu schreiben. Auch war er nachfolgend
als Regieassistent tätig, unter anderem für die spanische
Regielegende Luis Bunuel. Seinen ersten eigenen Film "Tenemos
diechichio anos" (internationaler Titel "We are now 18")
drehte er 1959. So richtig interessant für den geneigten Besucher
unserer Seiten wurde es dann ab 1961, da drehte er nämlich
seinen ersten Horrorfilm "The awful Dr. Orloff", der für
Franco in mancherlei Hinsicht wegweisend sein sollte, es war nämlich
nicht nur sein erster Horrorstoff, es war auch seine erste Zusammenarbeit
mit dem Eurotrash Darsteller Howard Vernon, dem Franco sowohl professionell
wie freundschaftlich bis zu dessen Tode im Jahre 1996 verbunden
blieb, und es war auch sein erster Film von beträchtlichem
internationalem Erfolg. Den Charakter des Dr. Orloff nutzte Franco
im folgenden noch häufiger, unter anderem für eigene Remakes
des Stoffes. Bereits 1964 folgte die erste Fortsetzung "The
Secret of Dr. Orloff". Schon im Frühwerk Francos deutete
sich an, was sich als roter Faden durch das gesamte Oeuvre ziehen
sollte: ausschweifende sexuelle Perversionen, Folter, Sadismus.
Und damit hatte er scheinbar genau den Nerv der Zeit getroffen,
weswegen sich Franco bis heute in der Rolle des Tabubrechers gefällt.
Gern bezeichnet er sich heute auch als einen politischen Filmemacher,
das scheint aber obschon einige seiner Filme unter der Militärdiktatur
des damaligen faschistischen Machthabers General Franco (weder verwandt
noch verschwägert) auf dem Index landeten mit Verlaub übertrieben,
denn allzu viele politische Botschaften lassen sich in Francos Filmen
nicht entdecken. Als Freigeist, der sich stets einen feuchten Kehricht
um Konventionen scherte hingegen schon. Doch weiter im Text.
Mitte der 60'er
Jahre war Franco in Europa zu einem ungemein populären Filmschaffenden
aufgestiegen, so populär gar, das er 1966 von dem legendären
Orson Welles eingeladen wurde, als Regieassistent für dessen
Shakespeare Adaption "Falstaff" tätig zu werden.
Franco sagte nicht nein, was ihm etliche Türen öffnete.
Die Firma AIP machte ihm sogar das Angebot, in Hollywood ein amerikanisches
Remake seines ersten "Dr. Orloff" Streifens zu drehen,
doch Franco lehnte ab. Lieber wollte er in Europa unabhängig
arbeiten, als sich von amerikanischen Produzenten vorschreiben lassen,
wie er seine Filme zu drehen hatte.
Ab 1967 arbeitete
Franco für einige Jahre hauptsächlich in Deutschland.
In seinem hier entstandenen Film "Necronomicon - Geträumte
Sünden" taucht sogar in einer Nebenrolle der damals immens
populäre Chris "Mister Pumpernickel" Howland auf,
der sein Mitwirken an jenem Projekt vermutlich inzwischen auch gern
aus seiner Biografie gestrichen gewusst hätte. Dennoch, der
Film wurde zu einem großen Erfolg für alle Beteiligten,
so schob er mit nahezu gleicher Crew und gleichem Cast (ohne Pumpernickel
allerdings) den thematisch sehr ähnlich angelegten Film "Rote
Lippen - Sadisterotica" hinterher. Bereits damals wurde Franco
schwer von der Filmkritik gescholten, dem Publikum war es egal.
1968 drehte Franco mit Christopher Lee zwei
enorm erfolgreiche "Dr. Fu Man Chu" Filme, 1969 kam es
zur ersten Zusammenarbeit mit Klaus Kinski
für den Film "Marquis de Sade: Justine", in dem
unser aller Lieblings Filmirrer natürlich den Titelcharakter
gab (und in dem übrigens auch eine damals noch komplett unbekannte
junge Dame namens Romina Power mitwirkte, die später an der
Seite ihres Ehemannes Al Bano die Welt mit ihren Weisen wahrlich
das Gruseln lehrte.) 1970 schob er mit "Eugenie" eine
weitere de Sade Verfilmung nach. Inzwischen hatte er mit "99
Woman" auch seinen ersten Ausflug in das Frauenknast-Genre
unternommen. Ebenfalls 1970 folgte auch einer seiner bekanntesten
Filme, nämlich "Der Hexentöter von Blackmore",
erneut mit Chris Lee, den er auch gleich für sein nächstes
Projekt in dessen Rolle des Lebens verpflichtete, Nachts,
wenn Dracula erwacht. Auch Kinski war wieder mit von der Partie,
zudem erstmals Soledad Miranda, mit der er noch im gleichen Jahr
Vampyros
Lesbos sowie zwei weitere Filme, "Sie tötete in Ekstase"
(mit "Derrick" Star Horst Tappert) und "Der Teufel
kam aus Avakasa" drehte. Als Soledad Miranda nur wenige Monate
später bei einem tragischen Autounfall ums Leben, war dies
ein schwerer Schlag für Franco, der der Schauspielerin offenbar
sehr nahe stand.
In den 1970'er
Jahren begann Franco wider vermehrt in seiner spanischen Heimat
zu arbeiten, denn dort war dank der Leon Klimovsky / Paul Nashy
Kooperationen und Armando Ossorios "Reitenden Leichen"
gerade der Horrorteufel los, und das wollte sich auch Franco nicht
entgehen lassen. Allerdings musste Franco in Spanien mit noch geringeren
Budgets auskommen als seinerzeit in Deutschland, so drehte er zu
jener Zeit einige seiner absolut schlechtesten Filme wie zum Beispiel
Erotikill
von 1973, den er mit seiner neuen Muse Lina Romay realisierte, mit
der er bis heute verteiratet ist.
Um 1975 herum
begann Francos erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem legendären
Schweizer B-Filmmogul Erwin C. Dietrich, eine Kooperation, aus der
Filme wie "Frauengefängnis" (der als "Barbed
Wire Dolls" sogar in USA zu einem Kultklassiker avancierte)
und "Jack The Ripper" (erneut mit Klaus
Kinski) entstanden, bevor Franco dann in den 80'ern auf die
sich bereits wieder abflauende Zombie- und Kannibalenwelle aufsprang
und einige richtig schlechte Filme wie "Mondo Kannibale 4"
ablieferte. Als niemand mehr mit ihm rechnete kam er 1988 mit dem
guten Horrorfilm "Faceless" zurück, für den
er Telly "Kojak" Savallas und Helmut Berger gewinnen konnte.
Seit Mitte der
90'er Jahre ist Franco, nachdem er einige Jahre fast ausschließlich
in Spanien und für den spanischen Markt gearbeitet hatte, auch
international wieder umtriebiger geworden und bescherte seiner Fangemeinde
seitdem Filme von ganz unterschiedlicher Qualität wie Vampire
Blues oder Killer
Barbys vs. Dracula.
Ganz zweifellos
hatte Franco seine beste und fruchtbarste Phase etwa zwischen 1967
und 1973, und aus eben jenen Jahren hagelte es ja gerade in der
letzten Zeit Rereleases ohne Ende, der Erfindung der DVD sei Dank.
Ob man Jesus Franco Manera nun für einen Dilettanten halten
mag oder seinen Stil als verschroben ansieht, ob man seine sleazigen
Exploitation Filme nun für Schund oder für surreale Meisterwerke
hält, ob es jemals jemand schaffen wird, sich einen vollständigen
Überblick über sein Gesamtwerk zu verschaffen - man schätzt,
dass er bislang zwischen 150 und 200 Filmen gemacht hat, teilweise
soll er sogar an bis zu drei Filmen gleichzeitig gearbeitet haben,
weswegen er manches mal gar nicht mehr wusste, an welchem Set er
eigentlich gerade war (was man so manch einem seiner Filme auch
schon mal ansieht), Franco ist und bleibt der König des europäischen
Trahfilms, eine lebende Legende, dessen schlechteste Filme zumeist
noch immer unterhaltsamer, erfrischender und vor allem radikaler
sind als fast alles, was das Mainstream Horror Genre in den letzten
Jahren so hervorgebracht hat. Dafür und für viele viele
unterhaltsamen Stunden, die man durch ihn hatte, gebührt ihm
Lob.
Hier ist eine
- natürlich - unvollständige Aufzählung seines Werkes,
wobei wir versucht haben, möglichst viele seiner Vampirfilme
mit einzubinden.
1959
"Tenemos diechichio anos"
1961
"The awful Dr. Orloff", "The Sadistic Baron von Klaus"
1963
"The Sign of Zorro"
1964
"The Secret of Dr. Orloff" (aka "Dr. Orloffs Monster")
1966
"Miss Muerte" (aka "The Diabolical Dr. Z"),
"Falstaff" (mit Orson Welles)
1967
"Necronomicon", "Sadisterotica", Kiss me, Monster"
1968
"Die Folterkammer des Dr. Fu Man Chu", "99 Woman"
1969
"Marquis de Sade: Justine", "Venus in Furs"
1970
Nachts, wenn
Dracula erwacht, Vampyros
Lesbos, "Eugenie", "Sie tötete in Ekstase",
"Der Teufel kam aus Avakasa", "Dracula
vs. Frankenstein", "Der Hexentöter von Blackmore"
1971
"Eine Jungfrau in den Krallen von Zombies", "X312
- Flug zur Hölle"
1972
Draculas
Daughter (aka Eine Jungfrau in debn Krallen von Vampiren), The
screaming Dead (aka Dracula - Prisoner of Frankenstein aka Die Nacht
der offenen Särge) "Malediction de Frankenstein",
1973
Erotikill
(aka Female Vampire), "Amazonas", "Tender and perverse
Emmanuelle"
1975
"The Midnight Party", "Frauengefängnis"
1976
"Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne", "Jack
Rhe Ripper - Der Dirnenmörder von London"
1977
"Die teuflischen Schwestern", "Ilsa, the wicked Warden"
(aka "Greta"), "Frauen für Zellenblock 9"
1979
"Justine" (wurde zwei Jahre später von Joe D'Amato
zu einem Hardcoreporno umgeschnitten und mit neuen Szenen versehen),
"The Sadist of Notre Dame"
1980
"Mondo Cannibale 4", "Devil Hunter", "The
Man Hunter" (ein unvollendetes Projekt von Ossorio, welches
Franco vollendete), "Sadomania - Hölle der Lust"
1981
"Die Säge des Todes"
1982
"Oasis of the livng Dead"
1983
Die
Rache des Hauses Usher
1986
"Angel of Death"
1988
"Faceless"
1996
"Tender Flesh"
1999
Vampire
Blues
2002
Killer
Barbys vs. Dracula
Hier noch einige
der Pseudonyme, unter denen Franco arbeitete:
Henri Baum, Clifford Brown, A.M. Franck, Jeff Franck, Jess Frank,
John Frank, Wolfgang Frank, Jesus Franco, Jack Griffin, J.P. Johnson,
Tewer Nero, Dan L. Simon und wahrscheinlich noch 60 weitere...
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