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ED WOOD

USA, 1994, sw, 127 min

 
Regie: Tim Burton
Produzenten: Tim Burton, Denise DiNovi, Michael Flynn, Michael Lehmann
Drehbuch Scott Alexander, Larry Karaszewski
Musik: Howard Shore
Kamera: Stefan Czapsky
Johnny Depp Ed Wood
Martin Landau Bela Lugosi
Jeffrey Jones Criswell
Sarah Jessica Parker Dolores Fuller
Patricia Arquette Kathy O'Hara
Bill Murray Bunny Breckinridge
Orson Welles Vincent D'Onforio

Hollywood in den frühen 1950'er Jahren. Der junge Edward Wood schlägt sich mit Gelegenheitsjobs in Film und Theater durch, verliert aber nie seinen unerschütterlichen Optimismus und den Glauben an das eigene Talent. Irgendwann, so ist er sich sicher, wird auch er seinen Einzug in das Pantheon der Traumfabrikgötter halten. Eines Tages lernt er den legendären Dracula-Darsteller Bela Lugosi kennen, der aber inzwischen seine besten Jahre längst hinter sich hat und von Geldknappheit und Morphiumsucht gezeichnet ist. Doch Wood ist begeistert, schließlich ist Lugosi der Held seiner Kindheit. Als Ed endlich mit einer Regiearbeit betraut wird, kann er Lugosi zu einer Rolle in seinem Film überreden. Zwar flopt der Streifen "Glen or Glenda?", der eine Geschlechtsumwandlung thematisiert und Wood auch als Hauptdarsteller zeigt (er sieht sich selber als Idealbesetzung, hat er doch eine ausgeprägte Vorliebe für rosafarbene Angora Damenwäsche) gnadenlos, doch Wood kann das nicht abschrecken. Endlich hat er einen Fuß in der Tür, und er hat, so glaubt er, einen großen Star, Lugosi nämlich, dem er allmählich näher kommt. Bald verbindet die beiden eine tiefe Freundschaft.

Schicksalsschläge, schlechte Kritiken, nichts kann Ed Wood nicht von seinem Weg abbringen, weder private Unbill wie die Trennung von seiner Lebensgefährtin Dolores, die seinen Angora Fetisch so gar nicht verstehen will, noch dass sich seine Karriere aufgrund ständiger Flops und permanenter Geldknappheit eher ab- denn aufwärts bewegt. Zumindest erweist er sich in der Lösung seiner Finanzprobleme immer wieder als äußerst findig. Er "leiht" sich zum Beispiel in einer Nacht-und-Nebel-Aktion kurzerhand ein Monstermodell aus dem Fundus eines großen Studios aus, welches er für das Finale seines Films "Bride of the Monster" benötigt (vergisst dabei allerdings, auch den Motor zu entwenden, der für die Bewegung der Tentakel benötigt wird), beweist unglaublichen Einfallsreichtum in der Beschaffung wie Herstellung kostengünstiger Requisiten und lässt auch schon mal das gesamte Filmteam taufen, weil eine Freikirche zusagt, eines seiner Filmprojekte zu finanzieren.

Kurz vor Drehbeginn seines Projektes "Graverobbers from outer Space" (welches er später in Plan 9 from outer Space umtaufen wird) stirbt sein Freund und Star Bela Lugosi. Trotz Trauer verzagt Wood abermals nicht und montiert kurzerhand einige private Aufnahmen von Lugosi in den Film, für weitere Szenen wird der Verstorbene durch einen anderen Darsteller ersetzt, den Zahnarzt Dr. Mason, der aufgrund mangelnder Ähnlichkeit mit seinem Vorgänger fortan nur noch in Buhmannpose mit Cape vor dem Gesicht gefilmt wird.

Tim Burtons "Ed Wood" spart den Abstieg seines Protagonisten in Alkoholismus und Dauerkrise aus und endet nach der Premiere von "Plan 9", die durch das Kinopublikum bejubelt wird. Wood fährt mit seiner neuen Partnerin Kathy O'Hara einer strahlenden Zukunft entgegen, die es in Wirklichkeit leider nie für ihn gab. Sein Leben endete tragisch, Wood starb 1978 völlig verschuldet im Suff und wurde nur 54 Jahre alt.

Ganz zweifellos ist Tim Burton ein Großmeister postmodernen Filmschaffens. Seine teils knallbunten, teils aber auch überaus finsteren Arbeiten gehören sowieso zum Interessantesten und Aufregendsten, was das Gegenwartskino zu bieten hat und könnten thematisch kaum unterschiedlicher sein. Dennoch ist die Handschrift des Visionärs Burton stets untrüglich erkennbar. Nostalgisch und retro-haft sind seine Filme, hedonistisch auch durchaus, manchmal absurd, durchdrungen von schrägem Humor, aber auch und gerade von der Liebe zum Detail, vom Herzblut ihres Schöpfers sozusagen. Er reanimierte den "Batman", jagte ihn durch düstere Film Noir Kulissen und schaffte es, dieser völlig langweilig gewordenen Figur neues Leben einzuhauchen (welches ihm sein Nachfolger Joel Schumacher mit seinen mauen Fortsetzungen leider wieder austrieb), interpretierte uns den Frankenstein auf eigene Art neu ("Edward Scissorhands"), verbeugte sich mit "Mars Attacks" vor dem Sci Fi Trash der 1950'er Jahre und mit "Sleepey Hollow" vor Hammer Films und Mario Bava, jagte ein All American Ehepaar durch die Hölle ("Beetlejuice") und erfand nebenher noch den Animationsfilm neu, indem er mit "Nightmare before Christmas" den wohl einzigen Halloween / Weihnachts Crossover der Kinogeschichte erschuf.

Sein ambitioniertestes, bestes und wohl auch reifstes Werk aber ist dieses filmische Denkmal, das er dem König des Trashfilms setzte, dem glücklosen Ed Wood, der seinen festen Platz in der Filmgeschichte tragischerweise erst posthum einnehmen konnte, denn er wurde zum schlechtesten Regisseur aller Zeiten gekürt. Dieser Umstand aber rettete sein Andenken und erst recht seine schrägen, aber nicht uncharmanten Filme vor der Vergessenheit. Bekanntlich gilt inzwischen sein gesamtes Filmschaffen einer nicht gerade kleinen Anzahl von Freunden des eher abseitigen Films als Kult, woran sicherlich auch Tim Burton und sein grandioser Film nicht ganz unschuldig sein dürften.

Burtons Wood ist ein unerschütterlicher Optimist, ein sympathischer Spinner, dessen hohe Ziele leider immer wieder im krassen Gegensatz zu seinem Talent stehen. Gerade der Zuschauer, der mit dem Werk Ed Woods eher nicht so viel anzufangen weiß, wird immer wieder in ungläubiges Lachen ausbrechen, zum Beispiel wenn gerade mal wieder irgendwer am Set eine Szene gehörig versemmelt hat und Wood dies stets nur mit "Ach, darauf achtet der Zuschauer doch gar nicht!" kommentiert. Dennoch gibt Burton seinen Helden nicht der Lächerlichkeit preis, denn er zeichnet seinen Protagonisten nicht als Freak, vielmehr als einen Träumer, einen tragikomischen Antihelden, der irgendwie mit den Irrungen und Wirrungen seines Weges zurechtkommt und sich nicht mal vom eigenen Unvermögen von seinem Ziel abbringen lässt. Doch "Ed Wood" ist nicht nur ein Film über den Mann, dessen Namen er trägt, sondern eine Liebeserklärung an das Kino, das Filmemachen und den Enthusiasmus hierfür, der den ungleich talentierteren Burton ganz offenkundig mit Wood verbindet . Wie sehr der Film hierbei der Wahrheit verpflichtet ist, spielt im Grunde gar keine Rolle, denn Burton hatte es gar nicht im Sinn, eine offizielle Biografie zu drehen, vielmehr eine warmherzige Komödie, die ihre Botschaft auf diesem Wege viel besser (und unterhaltsamer ohnehin) zu vermitteln in der Lage ist.

Sicher wäre dieser Film nicht so herausragend geraten, wenn Burton nicht so ein geniales Ensemble zur Seite gestanden hätte. Allen voran brillieren natürlich die beiden Hauptdarsteller Martin Landau als schwer gealterter Bela Lugosi, der für die Darstellung einen verdienten Oscar erhielt, und der famose Johnny Depp, der als Ed Wood eine der besten Leistungen seiner an Höhepunkten reichen Karriere ablieferte. Doch damit nicht genug, allein die Liste der Nebendarsteller ließt sich schon wie ein "Who is Who?" des anspruchsvollen amerikanischen Kinos, als da wären der große Bill Murray, Sarah Jessica Parker, Patricia Arquette, der wie immer grandiose Jeffrey Jones als Wood Spezi Criswell, Lisa Marie als Vampira, der Urahnin von "Elvira Mistress of the Dark" und der "wilden Hilde" (falls die noch jemand kennt) und einem irrwitzigen Cameo von Vincent D'Onofrio als Orson Welles, den Wood als Bruder im Geiste betrachtete.

Dass die Filmsets, die Ausstattung, sämtliche Kulissen und sogar das schwarzweiße grobkörnige Filmmaterial - der einzige Farbklecks im ganzen Film ist übrigens der rosafarbene Angorapullover Woods - absolut perfekt sind, muss nicht extra erwähnt werden, weil sich dies beim detailverrückten Burton von selbst versteht. Er scheint beim Dreh bereits den perfekten Blick dafür zu haben, wie der fertige Film nicht nur aussehen soll, sondern auch wird. Dass Burton dann auch entsprechend sorgfältig mit seinen Visionen umgeht, lässt sich schon allein daran erkennen, wie viel Zeit er sich in aller Regel für seine Projekte nimmt.

Bleibt also letztlich nur die Frage, warum wird ein Film wie "Ed Wood" hier in der Vampireworld überhaupt besprochen, denn es ist ja wohl kaum anzunehmen, dass in einer Filmbiografie über einen Trashfilmer leibhaftige Vampire auftauchen? Und das tun sie auch gar nicht, dennoch aber spielen sie eine nicht unerhebliche Rolle, denn immerhin werden hier ja auch die letzten Monate im Leben des legendären Dracula Darstellers Bela Lugosi porträtiert, und somit ist der Film auch nur so gespickt mit Anspielungen auf den Mythos Dracula, oder zumindest seiner filmischen amerikanischen Betrachtungsweise des selben, an der der gute Bela ja maßgeblich beteiligt war. Wir sehen Lugosi (bzw. seinen Impersonator Martin Landau) gleich mehrfach im Darculacape agieren, zum Beispiel wenn er zu Halloween versucht ein paar Kinder zu erschrecken, die an seine Haustür klopfen (allerdings fürchten sich diese nicht sonderlich vor dem alten Mann) oder sich bei einem TV Auftritt als "der Graf" aus einem Sarg erhebt. Zudem wusste Lugosi sich ja bei öffentlichen Auftritten stets hervorragend zu inszenieren, und er identifizierte sich ja auch völlig mit der Figur Dracula, der Rolle seines Lebens, die der Grundstein für seine Hollywoodkarriere wurde.

Wer sich für den Mythos Vampir im Film interessiert, wird an diesem Film nicht vorbeikommen, alle anderen sollten allerdings auch ruhig mal einen Blick riskieren, denn bereuen wird dies mit Sicherheit niemand. "Ed Wood" ist beste intelligente Unterhaltung, eine Liebeserklärung an das Filmschaffen, saukomisch ohne zu kalauern und lehrreich obendrein. Zudem bietet der Film ein perfektes Schauspielensemble mit einigen der besten Darsteller der Gegenwart, die hier die 1950'er Jahre Hollywoods wieder lebendig werden lassen. Das ist uns allemal fünf Fledermäuse wert. Höchstwertung!



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