ED
WOOD
Hollywood
in den frühen 1950'er Jahren. Der junge Edward Wood schlägt
sich mit Gelegenheitsjobs in Film und Theater durch, verliert aber
nie seinen unerschütterlichen Optimismus und den Glauben an
das eigene Talent. Irgendwann, so ist er sich sicher, wird auch
er seinen Einzug in das Pantheon der Traumfabrikgötter halten.
Eines Tages lernt er den legendären Dracula-Darsteller Bela
Lugosi kennen, der aber inzwischen seine besten Jahre längst
hinter sich hat und von Geldknappheit und Morphiumsucht gezeichnet
ist. Doch Wood ist begeistert, schließlich ist Lugosi der
Held seiner Kindheit. Als Ed endlich mit einer Regiearbeit betraut
wird, kann er Lugosi zu einer Rolle in seinem Film überreden.
Zwar flopt der Streifen "Glen or Glenda?", der eine Geschlechtsumwandlung
thematisiert und Wood auch als Hauptdarsteller zeigt (er sieht sich
selber als Idealbesetzung, hat er doch eine ausgeprägte Vorliebe
für rosafarbene Angora Damenwäsche) gnadenlos, doch Wood
kann das nicht abschrecken. Endlich hat er einen Fuß in der
Tür, und er hat, so glaubt er, einen großen Star, Lugosi
nämlich, dem er allmählich näher kommt. Bald verbindet
die beiden eine tiefe Freundschaft.
Schicksalsschläge,
schlechte Kritiken, nichts kann Ed Wood nicht von seinem Weg abbringen,
weder private Unbill wie die Trennung von seiner Lebensgefährtin
Dolores, die seinen Angora Fetisch so gar nicht verstehen will,
noch dass sich seine Karriere aufgrund ständiger Flops und
permanenter Geldknappheit eher ab- denn aufwärts bewegt. Zumindest
erweist er sich in der Lösung seiner Finanzprobleme immer wieder
als äußerst findig. Er "leiht" sich zum Beispiel
in einer Nacht-und-Nebel-Aktion kurzerhand ein Monstermodell aus
dem Fundus eines großen Studios aus, welches er für das
Finale seines Films "Bride of the Monster" benötigt
(vergisst dabei allerdings, auch den Motor zu entwenden, der für
die Bewegung der Tentakel benötigt wird), beweist unglaublichen
Einfallsreichtum in der Beschaffung wie Herstellung kostengünstiger
Requisiten und lässt auch schon mal das gesamte Filmteam taufen,
weil eine Freikirche zusagt, eines seiner Filmprojekte zu finanzieren.
Kurz vor Drehbeginn
seines Projektes "Graverobbers from outer Space" (welches
er später in Plan 9 from outer Space
umtaufen wird) stirbt sein Freund und Star Bela
Lugosi. Trotz Trauer verzagt Wood abermals nicht und montiert
kurzerhand einige private Aufnahmen von Lugosi in den Film, für
weitere Szenen wird der Verstorbene durch einen anderen Darsteller
ersetzt, den Zahnarzt Dr. Mason, der aufgrund mangelnder Ähnlichkeit
mit seinem Vorgänger fortan nur noch in Buhmannpose mit Cape
vor dem Gesicht gefilmt wird.
Tim Burtons
"Ed Wood" spart den Abstieg seines Protagonisten in Alkoholismus
und Dauerkrise aus und endet nach der Premiere von "Plan 9",
die durch das Kinopublikum bejubelt wird. Wood fährt mit seiner
neuen Partnerin Kathy O'Hara einer strahlenden Zukunft entgegen,
die es in Wirklichkeit leider nie für ihn gab. Sein Leben endete
tragisch, Wood starb 1978 völlig verschuldet im Suff und wurde
nur 54 Jahre alt.
Ganz
zweifellos ist Tim Burton ein Großmeister postmodernen Filmschaffens.
Seine teils knallbunten, teils aber auch überaus finsteren
Arbeiten gehören sowieso zum Interessantesten und Aufregendsten,
was das Gegenwartskino zu bieten hat und könnten thematisch
kaum unterschiedlicher sein. Dennoch ist die Handschrift des Visionärs
Burton stets untrüglich erkennbar. Nostalgisch und retro-haft
sind seine Filme, hedonistisch auch durchaus, manchmal absurd, durchdrungen
von schrägem Humor, aber auch und gerade von der Liebe zum
Detail, vom Herzblut ihres Schöpfers sozusagen. Er reanimierte
den "Batman", jagte ihn durch düstere Film Noir Kulissen
und schaffte es, dieser völlig langweilig gewordenen Figur
neues Leben einzuhauchen (welches ihm sein Nachfolger Joel Schumacher
mit seinen mauen Fortsetzungen leider wieder austrieb), interpretierte
uns den Frankenstein auf eigene Art neu ("Edward Scissorhands"),
verbeugte sich mit "Mars Attacks" vor dem Sci Fi Trash
der 1950'er Jahre und mit "Sleepey Hollow" vor Hammer
Films und Mario Bava, jagte ein All American Ehepaar durch die Hölle
("Beetlejuice") und erfand nebenher noch den Animationsfilm
neu, indem er mit "Nightmare before Christmas" den wohl
einzigen Halloween / Weihnachts Crossover der Kinogeschichte erschuf.
Sein ambitioniertestes,
bestes und wohl auch reifstes Werk aber ist dieses filmische Denkmal,
das er dem König des Trashfilms setzte, dem glücklosen
Ed Wood,
der seinen festen Platz in der Filmgeschichte tragischerweise erst
posthum einnehmen konnte, denn er wurde zum schlechtesten Regisseur
aller Zeiten gekürt. Dieser Umstand aber rettete sein Andenken
und erst recht seine schrägen, aber nicht uncharmanten Filme
vor der Vergessenheit. Bekanntlich gilt inzwischen sein gesamtes
Filmschaffen einer nicht gerade kleinen Anzahl von Freunden des
eher abseitigen Films als Kult, woran sicherlich auch Tim Burton
und sein grandioser Film nicht ganz unschuldig sein dürften.
Burtons Wood
ist ein unerschütterlicher Optimist, ein sympathischer Spinner,
dessen hohe Ziele leider immer wieder im krassen Gegensatz zu seinem
Talent stehen. Gerade der Zuschauer, der mit dem Werk Ed Woods eher
nicht so viel anzufangen weiß, wird immer wieder in ungläubiges
Lachen ausbrechen, zum Beispiel wenn gerade mal wieder irgendwer
am Set eine Szene gehörig versemmelt hat und Wood dies stets
nur mit "Ach, darauf achtet der Zuschauer doch gar nicht!"
kommentiert. Dennoch gibt Burton seinen Helden nicht der Lächerlichkeit
preis, denn er zeichnet seinen Protagonisten nicht als Freak, vielmehr
als einen Träumer, einen tragikomischen Antihelden, der irgendwie
mit den Irrungen und Wirrungen seines Weges zurechtkommt und sich
nicht mal vom eigenen Unvermögen von seinem Ziel abbringen
lässt. Doch "Ed Wood" ist nicht nur ein Film über
den Mann, dessen Namen er trägt, sondern eine Liebeserklärung
an das Kino, das Filmemachen und den Enthusiasmus hierfür,
der den ungleich talentierteren Burton ganz offenkundig mit Wood
verbindet . Wie sehr der Film hierbei der Wahrheit verpflichtet
ist, spielt im Grunde gar keine Rolle, denn Burton hatte es gar
nicht im Sinn, eine offizielle Biografie zu drehen, vielmehr eine
warmherzige Komödie, die ihre Botschaft auf diesem Wege viel
besser (und unterhaltsamer ohnehin) zu vermitteln in der Lage ist.
Sicher wäre
dieser Film nicht so herausragend geraten, wenn Burton nicht so
ein geniales Ensemble zur Seite gestanden hätte. Allen voran
brillieren natürlich die beiden Hauptdarsteller Martin Landau
als schwer gealterter Bela
Lugosi, der für die Darstellung einen verdienten Oscar
erhielt, und der famose Johnny Depp, der als Ed Wood eine der besten
Leistungen seiner an Höhepunkten reichen Karriere ablieferte.
Doch damit nicht genug, allein die Liste der Nebendarsteller ließt
sich schon wie ein "Who is Who?" des anspruchsvollen amerikanischen
Kinos, als da wären der große Bill Murray, Sarah Jessica
Parker, Patricia Arquette, der wie immer grandiose Jeffrey Jones
als Wood Spezi Criswell, Lisa Marie als Vampira, der Urahnin von
"Elvira Mistress of the Dark" und der "wilden Hilde"
(falls die noch jemand kennt) und einem irrwitzigen Cameo von Vincent
D'Onofrio als Orson Welles, den Wood als Bruder im Geiste betrachtete.
Dass die Filmsets,
die Ausstattung, sämtliche Kulissen und sogar das schwarzweiße
grobkörnige Filmmaterial - der einzige Farbklecks im ganzen
Film ist übrigens der rosafarbene Angorapullover Woods - absolut
perfekt sind, muss nicht extra erwähnt werden, weil sich dies
beim detailverrückten Burton von selbst versteht. Er scheint
beim Dreh bereits den perfekten Blick dafür zu haben, wie der
fertige Film nicht nur aussehen soll, sondern auch wird. Dass Burton
dann auch entsprechend sorgfältig mit seinen Visionen umgeht,
lässt sich schon allein daran erkennen, wie viel Zeit er sich
in aller Regel für seine Projekte nimmt.
Bleibt also
letztlich nur die Frage, warum wird ein Film wie "Ed Wood"
hier in der Vampireworld überhaupt besprochen, denn es ist
ja wohl kaum anzunehmen, dass in einer Filmbiografie über einen
Trashfilmer leibhaftige Vampire auftauchen? Und das tun sie auch
gar nicht, dennoch aber spielen sie eine nicht unerhebliche Rolle,
denn immerhin werden hier ja auch die letzten Monate im Leben des
legendären Dracula Darstellers Bela
Lugosi porträtiert, und somit ist der Film auch nur so
gespickt mit Anspielungen auf den Mythos Dracula, oder zumindest
seiner filmischen amerikanischen Betrachtungsweise des selben, an
der der gute Bela ja maßgeblich beteiligt war. Wir sehen Lugosi
(bzw. seinen Impersonator Martin Landau) gleich mehrfach im Darculacape
agieren, zum Beispiel wenn er zu Halloween versucht ein paar Kinder
zu erschrecken, die an seine Haustür klopfen (allerdings fürchten
sich diese nicht sonderlich vor dem alten Mann) oder sich bei einem
TV Auftritt als "der Graf" aus einem Sarg erhebt. Zudem
wusste Lugosi sich ja bei öffentlichen Auftritten stets hervorragend
zu inszenieren, und er identifizierte sich ja auch völlig mit
der Figur Dracula, der Rolle seines Lebens, die der Grundstein für
seine Hollywoodkarriere wurde.
Wer sich für
den Mythos Vampir im Film interessiert, wird an diesem Film nicht
vorbeikommen, alle anderen sollten allerdings auch ruhig mal einen
Blick riskieren, denn bereuen wird dies mit Sicherheit niemand.
"Ed Wood" ist beste intelligente Unterhaltung, eine Liebeserklärung
an das Filmschaffen, saukomisch ohne zu kalauern und lehrreich obendrein.
Zudem bietet der Film ein perfektes Schauspielensemble mit einigen
der besten Darsteller der Gegenwart, die hier die 1950'er Jahre
Hollywoods wieder lebendig werden lassen. Das ist uns allemal fünf
Fledermäuse wert. Höchstwertung!
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