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Bram Stoker: Draculas Gast

Regie Lars Peter Lueg
Vorlage

Bram Stoker:Draculas Gast

Kategorie Hörbuch
Länge 132 min (2 CDs)
Produktionsjahr 2005
Verlag LPL Records
SBN-Nummer 3-7857-1482-3
Sprecher Lutz Riedel

Ursprünglich bildete die Story »DRACULAS GAST« ein Fragment des Original-Romans. Bram Stoker kürzte es jedoch selbst heraus und veröffentlichte es gesondert. Beschrieben wird eine mysteriöse Nacht während Jonathan Harkers abenteuerlicher Reise nach Transsylvanien. Der bedrohliche Schatten des Grafen fällt auf Harker und umhüllt ihn mit kaltem Grauen.

»IM HAUS DES RICHTERS« ist eine klassische Horrorgeschichte aus der Feder des Meisters. Ein nicht gerade fleißiger Mathematik-Student wird zum Opfer eines gespenstischen Geisterhauses.

In »DSIE SQUAW« unterschätzt ein rücksichtsloser amerikanischer Tourist einen animalischen Fluch.

GELESEN VON LUTZ RIEDEL Lutz Riedel ist ein hochkarätiger Synchon-Regisseur und die deutsche Stimme von »James Bond« Timothy Dalton. Er zeigt hier seine herausragenden Sprecher-Qualitäten, die den Hörer mit schauriger Gänsehaut verzaubern. Er war auch »Jan Tenner« in der gleichnamigen Hörspiel-Serie.

Von Bram Stoker, gelesen von Lutz Riedel


Die Buchbesprechung, die Du, verehrter Leser dieses Artikels hier nachlesen kannst, fiel seinerzeit zugegebenermaßen reichlich knapp aus, handelte es sich doch damals glaube ich um das allererste Vampire-World Review eines Printerzeugnisses überhaupt, wenn ich mich da recht entsinne, somit wollen wir an dieser Stelle jene alte Schuld abtragen und uns ein wenig eingehender mit diesen eher unbekannteren Texten des Herrn Stoker beschäftigen, denn sie haben es sehr wohl verdient.

Aber freuen wollen wir uns auch ein klein wenig, und zwar darüber, dass wir dem verehrten Team um Herrn Lueg, dem Mastermind und Namensgeber von LPL Records (für die, die es vielleicht noch nicht wussten und sich [und auch schon uns] gefragt haben, für was denn bitte schön das kryptische LPL stehen mag; es steht für nichts anderes als Lars Peter Lueg!), scheinbar trotz der Knappheit unseres Textes eine maßgebliche Inspiration beim Verfassen seiner Coverinformationen gewesen sein müssen, denn was ich dort nachlesen konnte, machte mich zunächst ein wenig stutzen, kam es mir doch irgendwie bekannt vor. Nachdem ich dann aber noch einmal bei unserer alten Buchbesprechung gestöbert hatte, wusste ich auch warum… Macht nichts, gern geschehen!! Man hilft ja, wo man kann… ;-)

Kommen wir kurz zum Inhalt der Geschichten, derer man hier drei der sechs aus dem Buch vertonte, nämlich die Titelstory Draculas Gast wie Im Haus des Richters und Die Squaw. Erstere ist, wie schon an anderer Stelle erwähnt, ursprünglich als Teil des Dracularomans angelegt gewesen. Wahrscheinlich ist sie sogar noch Bestandteil der ursprünglichen Idee Stokers, die Handlung in der Steyrmark stattfinden zu lassen (er sah sich ja seinerzeit überaus von Sheridan LeFanus berühmter Erzählung "Carmilla" inspiriert, die ebenfalls dort spielt). Später verwarf er bekanntlich diesen Gedanken und entschied sich für das im ausgehenden 19. Jahrhundert noch weitgehend unbekannte, ursprüngliche und aus der Sicht eines englischen Gentleman sogar irgendwie unheimlich wirkende Transsylvanien als Spielstätte für sein Opus Magnum, einen Ort, an dem scheinbar alles geschehen konnte (außer das ihn ein britischer Schriftsteller namens Abraham Stoker jemals wirklich bereist hätte.) Doch leider ist nicht verbrieft, ob Stoker den Text strich, weil er Transsylvanien den Vorzug gab oder ob ihn andere Gründe bewogen haben mögen dies zu tun, und im Prinzip ist's auch Schnuppe, denn Fakt ist nun mal, er hat es getan. Später dann hatte man sich, wohl beflügelt vom Erfolg des "Dracula", doch noch dazu entschieden, dem Leser Jonathan Harkers merkwürdiges Abenteuer in der Nähe von München zugänglich zu machen.

Harker also weilt auf seiner Reise zum Grafen Dracula in München und begibt sich von dort auf einen Ausflug ins Umland. Sein abergläubischer und ängstlicher Kutscher erzählt allerlei Schauergeschichten von der Walpurgisnacht und einem Dorf der Vampire, das seine menschlichen Bewohner vor Jahrzehnten aufgegeben haben und fortzogen. Unbedingt möchte Harker - ganz unerschrockener und aufgeklärter Mann des Fortschritts - dieses "Spukdorf" in Augenschein nehmen, doch der Kutscher weigert sich, Herrn Harker dorthin zu bringen, beschwört ihn nahezu, noch vor Einbruch der Dunkelheit ins Hotel zurück zu kehren, doch unser Jonathan entlässt seinen Fahrer und macht sich per pedes auf den Weg in das unheimliche Dorf. Das hätte er wohl besser nicht getan, denn schon recht bald schlägt das Wetter um - ein Schneesturm zieht auf - und die Nacht bricht über ihn herein, und schließlich mit ihr auch das Grauen. Klar, wie die Geschichte ausgeht ist nicht allzu schwierig zu erraten, denn ich wage mal ganz vorsichtig die These, dass wohl jeder, der nicht die letzten 100 Jahre in einer wie auch immer gearteten, vollkommen abgeschiedenen Einsiedelei verbracht hat, die Dracula Story wohl kennen und somit zumindest ansatzweise um Jonathan Harkers nachfolgende Erlebnisse wissen wird, er wird also wohl aus tiefster Not errettet werden, denn er hat ja noch allerhand zu erleben. Dennoch, der Schlussgag, die schaurige Erkenntnis Harkers, dass ein unheimlicher langer Schatten auf ihn gefallen ist, die ungute Ahnung von den Dingen, die da noch kommen sollen, das ist äußerst gelungen! Bravo!

Im Haus des Richters mietet sich ein Student ein, der in der Abgeschiedenheit jenes Ortes die Ruhe und Muße sucht, sich auf sein Examen vorzubereiten. Auch er ist jemand, der alle Warnungen in den Wind schlägt und sich nur der Ratio verpflichtet fühlt, doch das Gemäuer wird neben einer Anzahl wahrhaft hartnäckiger Ratten auch noch von einem anderen unheimlichen Wesen bewohnt. Malcolm Malcolmson, so heißt der junge Mann, darf sich allerdings nicht über das gleiche Schicksal freuen wie der bekannte Herr Harker, für ihn wird es ungleich finsterer enden.

Ähnlich ergeht es dem amerikanischen Touristen, der in der Squaw versehentlich ein junges Kätzchen tötet, was Racheeifer und Blutgier in dem Muttertier weckt. Beeindruckt von den völlig aussichtslosen Versuchen der Katze, ihn zu attackieren, erzählt der Yankee seinen Mitreisenden die Geschichte einer indianischen Squaw, die in ähnlicher Situation war und schließlich aufgab. Rasch vergisst der arrogante Tourist seine Untat und landet schließlich im Nürnberger Museum, in dem die berüchtigte "Eiserne Jungfrau", ein grässliches Hinrichtungsgerät aus dem Mittelalter, zu besichtigen ist. Weil er den Thrill am eigenen Leib erfahren möchte, lässt auch er sich vom Museumswärter in den mörderischen Kasten stecken, nicht wissend, dass die Katze ihm gefolgt ist und im entscheidenden Moment die Tür mit den langen scharfen Stahlspitzen… nun, man kann es sich vorstellen.

Das verbindende Motiv der drei Erzählungen ist ganz klar zu erkennen: auf der einen Seite haben wir den vermeintlich vernünftigen unerschrockenen Protagonisten, der mit beiden Beinen in der (seinen) Gegenwart steht und in der für das Abseitige, für Spuk und böse Geister, kein Platz existiert. Doch unverhofft bricht über ihn der archaische Horror herein und kostet ihn als Strafe für seine Arroganz schlimmstenfalls das Leben. Damit war Stoker, dem alle drei Geschichten überaus schaurig und spannend gelungen sind, seiner Zeit durchaus voraus und nahm die entscheidenden Ingredienzien vorweg, die später den Erfolg der neuzeitlichen Kolosse des Genres von Lovecraft bis hin zu King ausmachen sollten. Freilich war er nicht der alleinige und einzige Wegbereiter dessen, was man heute unter zeitgenössischem Horror versteht, man denke nur an Edgar Poe, Ambros Bierce und / oder Algernon Blackwood, doch er hat sich gewiss seinen Platz unter den großen Innovatoren des Genres erarbeitet. Seine Kurzgeschichten sind übrigens samt und sonders von ungleich höherer Qualität als seine eigentlichen Romane, denn die gingen in aller Regel, bestes Beispiel sollte hier der "Dracula" sein, mehr oder weniger gut aus, soll heißen, mit Happy End. In seinen Kurzgeschichten sterben die Figuren, obsiegen die Monster, die vielleicht gar nicht immer solche sind und nur einen Zustand "kosmischer Gerechtigkeit" herbeiführen. Oder eben manchmal doch einfach nur böse sind.

Zur Qualität der Lesung: Lutz Riedel!
Mehr muss man da eigentlich gar nicht mehr sagen, denn schließlich sollte man diesen Routinier und großen Könner, Schauspieler, Synchronsprecher (z.B. für Timothy Dalton), Regisseur und Interpret zahlreicher Audiobücher gerade - aber nicht ausschließlich - aus dieser für uns interessante Sparte (unter anderem die "Vampirric" Reihe, "Necroscope", etc.) ja hinlänglich kennen. Sollte dies nicht der Fall sein, ergäbe sich mit vorliegendem Hörbuch eine prima Gelegenheit, diesen Umstand zu ändern.

Sein Vortrag, übrigens eine reine Lesung ohne Effekte, was die Sache aber am Ende nur umso intensiver macht, ist ruhig, aber keinesfalls langweilig. Im Gegenteil, ab und an ist die Spannung sprichwörtlich knisternd, die berühmte fallende Stecknadel würde einen geradezu in Panik versetzen, so sehr ist die Gefahr spürbar. Zudem gelingt es Riedel immer wieder ganz formidabel, den verschiedenen Personen der Geschichte einen ganz eigenen Charakter zu verleihen. Man erkennt sofort, welche Figur gerade auftritt.
Gut, man könnte jetzt anführen, so etwas habe man ja schließlich von einer Lesung auch zu erwarten, aber dennoch wird diesem Umstand ja nicht immer Rechnung getragen, gelle?

Bei LPL Records wird es das. Einmal mehr haben Lueg und sein Team den eigenen Anspruch voll erfüllen können und seinem Publikum "Gänsehaut für die Ohren" geboten. Klasse!



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