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White Skin   (OT: La Peau Blanche)

Kanada, 2004, Farbe, 89min
 
Regie: Daniel Roby
Drehbuch: Joel Champetier, Daniel Roby
literarische Vorlage: Joel Champetier
Kamera: Eric Cayla
Musik Martin Lord, René Dupéré
Produzent Rachel Fontaine, Stephanne Choquette
Marc Paquet Thierry
Frédéric Pierre Henri
Marianne Farley Claire
Jessica Malka Marquise
Julie Lebreton Isabelle
Jou Jou Turenne Marie-Pierre

Der schwarze Henri und der weiße Thierry - Studenten, Wohngenossen und beste Kumpel - feiern Thierrys Geburtstag. Zur feuchten Feier des Tages lockt die holde Weiblichkeit in Form zweier knackiger Prostituierter, die unsere jungen Freunde in ein Stundenhotel locken. Als Thierry dann aber doch lieber einen Rückzieher machen möchte, hört er entsetzliche Schreie aus dem Nebenzimmer. Nachdem er die Tür aufbricht, bietet sich ihm ein furchtbarer Anblick: das rothaarige Callgirl ist zur Furien mutiert und taktiert Henri, der bereits am Hals stark blutet, mit einem Messer. Nur mit gemeinsamer Anstrengung gelingt es, die junge Frau zu überwältigen, doch diese springt aus dem Fenster und flieht halbnackt. Auch die andere Dame hat inzwischen das Weite gesucht. Thierry verfrachtet seinen Freund ins nächstbeste Krankenhaus, wo seine Wunden versorgt werden. Man einigt sich mit Rücksicht auf Henris Freundin Zandra auf eine Lügengeschichte, derzufolge vier Skinheads die beiden jungen Männer überfielen und Henri verletzten.

Einige Zeit vergeht und der unangenehme Vorfall scheint allmählich vergessen zu sein, da begegnet Thierry der irgendwie ätherisch wirkenden, sehr rothaarigen und sehr weißhäutigen Claire, einer jungen Musikerin, die eine rätselhafte Anziehungskraft auf ihn ausübt. Hals über Kopf verliebt er sich in sie, obschon er sich doch eigentlich von sehr weißer Haut angewidert fühlt, weil die manchmal fast durchsichtig wirkt, wie er zu Anfang des Films einmal verrät. Doch bei Claire ist alles anders. Mit Leib und Seele stürzt sich Thierry in die Amour Fou mit dem nicht immer umgänglichen Rotschopf und verfällt ihr schließlich mit Haut und Haar. Das Paar schottet sich immer weiter von der Außenwelt ab und zieht sich stets auf Thierrys nun permanent verdunkeltes Zimmer zurück.
Der besorgte Henri macht sich schließlich Gedanken. Er bekommt seinen Freund überhaupt nicht mehr zu Gesicht, und wenn doch, wirkt dieser fast wie ein Junkie! Als er Claire schließlich heimlich dabei beobachtet, wie diese rohes Fleisch verschlingt und Sperma aus eben gefüllten Kondomen lutscht, ist ihm klar, dass hier etwas nicht stimmen kann.

Inzwischen eröffnet Claire Thierry, dass sie an Krebs erkrankt sei und die Behandlung schon am nächsten Tag beginne. Thierry begleitet sie ins Hospital und lernt dort Claires ausschließlich weibliche Familie kennen, da trifft es ihn wie ein Blitz: er erkennt in Claires jüngerer Schwester Marquise die Prostituierte wieder, die Henri vor einigen Wochen so schwer verletzte. Diese lauert Thierry dann auch vor dem Krankenhaus auf, attackiert ihn und setzt ihn unter Druck. Er soll die Finger von Claire und ihrer Familie lassen, sonst käme sie zurück und würde mit Henri endgültig kurzen Prozess machen.

Henri indes hat sich mit Hilfe von Google und seiner hochintelligenten wie in okkulten Belangen bewanderten Lieblingstante schlau gemacht und allerlei beunruhigendes zutage gefördert: es kann eigentlich keinen Zweifel geben, Claire ist ein Sukkubus, ein dämonisches Vampirwesen, das vom Fleisch, Blut, Sperma und nicht zuletzt von der Lebensenergie ihrer Opfer "lebt". Als Thierry seinem Freund offenbart, wer Claires Schwester ist, gibt es für diesen gar keinen Zweifel mehr. Gemeinsam brechen sie in Claires Wohnung ein und stellen fest, dass diese scheinbar nur als Tarnadresse herhält, in der Claire mit Sicherheit nie wirklich gelebt hat.

Allmählich erkennt auch Thierry, auf was er sich da eingelassen hat, da schlägt die unheimliche Marquise wieder zu...

Das ausgerechnet das frankokanadische Montreal derzeit eine der überaus angesagtesten und auch interessantesten Städte in kultureller Hinsicht auf dem nordamerikanischen Kontinent ist, verwundert zugegebenermaßen ein wenig, liegt es doch verdammt fernab der großen Kreativpools in den US von A, ist weder East- noch Westcoast, sondern liegt am St. Lorenz Strom im französischsprachigen Teil des frostigen Nordnachbarn vom George W. Land, in Quebec, Kanada. Das Wort 'cool' definiert man dort, wo man im Winter bei Temperaturen von bis zu -30° Celsius ordentlich friert, mit Sicherheit völlig anders als im hippen LA, doch genau dieses scheinbare Abseits vom "anderen" Amerika hat in Montreal für ein ganz eigenes Klima kultureller Vielfalt gesorgt. Ob es nun um Musik geht, um Malerei, Literatur oder auch Film, Montreal, die Stadt, der man nachsagt, sie sei die europäischste in ganz Nordamerika, brummt!

Ein gutes Beispiel hierfür ist das überaus gelungene, ambitionierte Spielfilmdebüt des frankokanadischen Regisseurs Daniel Roby, der sich mit seinem Landsmann Joel Champetier zusammentat um dessen Buch "La Peau Blanche" auf Zelluloid zu bannen. Das Roby ein für amerikanische Verhältnisse vergleichsweise lächerliches Budget von nur rund 800.000 kanadischen Dollars (etwa 535.000 Euro) zur Verfügung stand, merkt man dem Film tatsächlich nicht an und spricht wiederum für die eher "europäische" Herangehensweise an einen Filmstoff. Das schien auch Roby so empfunden zu haben, weswegen er aus seinem jugendlichen Helden Thierry, der in Champentiers Vorlage eigentlich ein in Kanada studierender Franzose ist, einen Kanadier "vom Lande" machte, um nicht in den Verdacht zu geraten, es handele sich bei dem Film um eine Französisch Kanadische Koproduktion. Sei's drum!

Roby hat einen faszinierenden, fesselnden "Phantastischen" Film gedreht, der ganz und gar nicht den aktuellen Regeln des Genres folgt. Tatsächlich ist der Film erstaunlich unblutig gestaltet und kommt sogar fast gänzlich ohne Spezialeffekte aus, beinahe könnte man ihn aufgrund seiner Erzählstruktur als altmodisch bezeichnen, doch Langeweile kommt deswegen keinesfalls auf. Im besten Sinne des klassischen Suspensefilms gedreht, erweist Roby Hitchcock, de Palma, Polanski, aber auch seinem Landsmann David Cronenberg die Ehre und schafft es, eine Atmosphäre der Beklemmung, des Ausgeliefertseins und der Bestürzung zu schaffen, ohne jemals das Tempo seines Films zu beschleunigen. Langsam aber stetig wächst die fatale Erkenntnis, dass Claire und ihre Familie nicht zur menschlichen Spezies, wie sie fürgewöhnlich definiert wird, gehören. Eigentlich aber haben wir es bei "White Skin" dennoch eher mit einem verschrobenen, fast ätherischen Thriller zu tun denn mit einem Horrorschocker, der aber auch durchaus Versatzstücke der Science Fiction (Mutation) verarbeitet!

Natürlich ist dies nicht ein Film, der nach dem Schema Blade oder Underworld funktioniert, auch nicht nach klassischen Gothic Motiven. Zudem fällt kein einziges mal das Wort 'Vampir', und wie klassische Vampire agieren ja auch Claire und ihre Familie nicht, oder höchstens am Rande. Und Roby ergeht sich auch gar nicht erst in Erklärungsversuchen darüber, mit was für Wesenheiten wir hier Bekanntschaft machen. Sicher, Henri nennt sie Sukkubus oder auch Hexe, mehrfach ist von einer Mutation die Rede, eine finale Antwort aber bleibt außen vor, und das macht auch einen Teil der Bedrohung aus. Dennoch ist Mutation eines der großen Schlagworte dieses Films, das andere ist Rassismus.

Nahezu alle im Film agierenden Personen weisen in irgendeiner Form rassistische Merkmale auf oder beschuldigen den jeweils anderen, ein rassistisches Verhalten an den Tag zu legen. Thierry kann bleiche Haut nicht leiden, was von dem in der Hinsicht extrem sensiblen Henri als Form von Rassismus angeprangert wird. Als dieser von Marquise verletzt wird, erfindet er ein Verbrechen mit rassistischem Hintergrund um seiner Freundin nichts vom Techtelmechtel mit einer Hure zu verraten. Henris etwas verschrobene Tante ist der Meinung, schwarze Menschen seien weißen und asiatischen genetisch überlegen, weil es sich bei ihnen um den eigentlichen Homo Sapiens, den "Urmenschen" handeln würde, folglich ist der Rest der Menschheit nichts als ein Heer von Mutanten. Claire ihrerseits hat was gegen Schwarze, während Schwesterchen Marquise, die wildeste der "Vampir" Schwestern, mit Vorliebe schwarzes Menschenfleisch verschlingt. Die eine "Rasse" befindet sich anderen "Rassen" gegenüber als überlegen, die "Sukkuben" (oder Mutanten?) den "gewöhnlichen" Menschen, schwarz und weiß einander sowieso! Hier hält uns Roby einen Spiegel vor die Nase und zwingt uns dazu, über das eigene Weltbild nachzudenken, eine weitere Gemeinsamkeit zu den Arbeiten seines Kollegen Cronenberg, dem er auch eine besondere Referenz erweist, indem er Henri und Freundin Zandra dessen guten Film Rabid schauen lässt.

Ein großes Lob möchte ich noch an die hervorragenden Darsteller aussprechen. Die Freundschaft zwischen den völlig unterschiedlichen Charakteren "Thierry" Marc Paquet und "Henri" Frederic Pierre wirkt glaubwürdig und überzeugend, auch deren persönliche Wandlungen - Thierry, der sich in eine zunehmende Abhängigkeit an Claire verliert und Henri, der schließlich in einen Zustand der Paranoia verfällt - sind absolut brillant und intensiv gespielt. Marianne Farleys Darstellung überzeugt ebenfalls, und wenn man zunächst der Meinung ist, ihre "Chemie" zu Paquet würde nicht stimmen, so erweist sich doch bald, das dies ein gewolltes stilistisches Ausdrucksmittel ist, das Handlung und Spannung vorantreibt.

Einen Punkt abziehen möchte ich dann aber schließlich doch noch für den zwar überraschenden, aber nicht schlüssigen und wenig überzeugenden Schluss des Films, der anders als in Champetiers Vorlage geriet, hier aber aus Gründen der Diskretion nicht verraten wird. Nur so viel sei gesagt, das literarische Finale macht mehr Sinn (nein, ich habe das Buch leider nicht gelesen, kenne aber das Ende!)

Dennoch, Daniel Roby hat ein kluges, stellenweise schön gruseliges und insgesamt doch sehr hoffnungsfroh stimmendes Filmdebüt vorgelegt. Mit ihm wird noch zu rechnen sein, und ich hoffe, er wird dem (mehr oder weniger) "Phantastischen" Genre verbunden bleiben.



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