Roman
Polanski
Roman
Polanski ist ohne Frage einer der besten Regisseure aller
Zeiten.
Auf sein
Konto gehen Meilensteine wie "Rosemaries Baby" (auch
heute, über 35 Jahre nach seiner Uraufführung noch
immer einer der beängstigensten Filme aller Zeiten!!!),
"Ekel", "Der Mieter", "Macbeth",
schließlich "Der Pianist", aber vor allem
und unbedingt "Tanz
der Vampire", weswegen dem Mann auf jeden Fall ein
Platz in unserer "Ahnengalerie" gebührt.
Leider hat Polanski aber auch für reichlich Enttäuschungen
gesorgt, die z. B. "Tess", "Piraten",
"Die neun Pforten" oder auch (und besonders) "Bitter
Moon" heißen, und genau dieser Umstand macht ihn
auch zu einem der umstrittensten Regisseure aller Zeiten.
Gewiss
hat Polanski das Leben oft übel mitgespielt, was sich
mit Bestimmtheit auf seine künstlerischen Arbeiten niederschlug,
auch wenn der Meister dies stets vehement abstritt.
Geboren
am 18. August 1933 in Paris als Sohn eines polnischen Juden
und einer russischen Immigrantin muss Roman bereits in frühester
Kindheit die Tragweite des finstersten Kapitels, welches die
Geschichte des 20. Jahrhunderts aufgeschlagen hatte, am eigenen
Leib erfahren. Die Familie wandert als Reaktion des auch in
Frankreich um sich greifenden Antisemitismus 1937 nach Polen
aus und lässt sich in Krakau nieder. 1940 besetzen die
Nazis die Stadt und ziehen eine Mauer um das "Ghetto".
Die Eltern werden deportiert, Roman, gerade 8 Jahre alt, wird
rechtzeitig und trickreich von seinem umsichtigen Vater ins
polnische Hinterland geschickt, wo er bei einer freundlichen
Familie, die ihn mit den katholischen Gebräuchen vertraut
machen, überlebt. Dennoch wird er immer wieder Opfer
unglaublicher Gewaltattacken. Deutsche Soldaten benutzen ihn
als "menschliche Zielscheibe" für Schießübungen
(auch als vermeintlicher Katholik ist er dennoch Pole, folglich
"Untermensch"), einmal wird er lebensgefährlich
durch eine Granatendetonation verletzt und schließlich
kurz vor Kriegsende mit 12 Jahren im Bunker beinahe zum Opfer
eines Raubmörders.
Nach dem
Krieg kommt er wieder zu seinem Vater, der die Grauen des
Konzentrationslagers überlebt hat, nach Krakau zurück.
Seine Mutter hingegen kam in Auschwitz zu Tode. Als der Vater
schließlich wieder heiratet, verlässt Roman die
Familie.
Doch nicht
nur Tod und Gewalt, wenn auch hauptsächlich, bestimmen
die Kindheit des jungen Roman Polanski. Bereits im Krakauer
Ghetto schleicht sich der Junge immer wieder zu den Filmvorführungen
der Deutschen. Die UFA-Filme jener Zeit bringen ihm zumindest
ein wenig Vergnügen, so fasst er schon zu der Zeit den
Entschluss, etwas in der Art auch mal machen zu wollen, wenn
der ganze Wahnsinn mal irgendwann vorbei ist.
Später
sieht er zwei Filme, die schlussendlich seine Entscheidung
für seinen späteren Lebensweg maßgeblich beeinflussen:
Laurence Oliviers "Hamlet" und Carol Reeds "Ausgestoßen".
Sein Weg
dahin führt ihn über das Werk Franz Kaffkas schließlich
auf die Kunsthochschule Krakaus, wo er Malerei und Grafik
studiert. Dann endlich schafft er es im Alter von 21 Jahren,
im zweiten Anlauf wohlgemerkt, auf die angesehene Filmhochschule
von Lodz. 1957 entsteht sein berühmter Kurzfilm "Zwei
Männer und ein Schrank", eine Groteske, die mehrere
Preise erhält, unter anderem bei den renommierten Kurzfilmtagen
von Oberhausen. 1961 realisiert er endlich sein Spielfilmdebüt
"Das Messer im Wasser", ein Film, der zwar international
gelobt, von der polnischen Regierung aber als "gesellschaftlich
irrelevant" gerügt wird. Dennoch wird dem jungen
Regisseur gestattet, den Film im Ausland zu präsentieren.
Polanski wird klar, in Polen wird er so bald keinen Film mehr
drehen können, so beschließt er, dorthin nicht
zurückzukehren.
Er geht
nach England und realisiert dort seine nächsten Filme,
zunächst den surrealen Suspense Thriller "Ekel",
der ihm von der Kritik Lob ohne Ende einbringt und ihn gar
auf eine Stufe mit dem Thriller-Großmeister Alfred Hitchcock
(was im direkten Vergleich sogar angebracht ist, denn der
Stil dieser beiden Großen ähnelt einander teilweise
sehr) stellt, wie hernach den von Samuel Beckett inspirierten
grotesken Krimi "Wenn Katelbach kommt.." (der dies
aber, ähnlich wie Godot, doch nicht macht.)
1967 realisiert
mit englischen Geldern in den tief verschneiten slowakischen
Alpen das Meisterwerk Tanz
der Vampire, in dem er auch gleich noch als Hauptdarsteller
brilliert. Die Welt scheint ihm zu Füßen zu liegen
und das Glück zunächst perfekt, zumal sich er und
die wunderschöne weibliche Hauptdarstellerin Sharon Tate
ineinander verlieben, doch die amerikanischen Verleiher mögen
den Film nicht und schneiden ihn um. In Amerika gerät
der Film zum gigantischen Flop, was zur Folge hat, dass sich
Polanski von der Fassung distanziert. Doch er, inzwischen
in keinster Weise an falscher Bescheidenheit leidend, weiß,
er kann es besser und will es auch den Yankees zeigen. So
verfilmt er 1968 im New Yorker Dakota Building, jenem finsteren
Gemäuer, in dem später Sid Viscious Nancy Spungen
töten und vor dessen Pforten John Lennon erschossen werden
sollten, den mittelmäßigen Ira Levin Roman "Rosemaries
Baby" und macht daraus einen Film, der die literarische
Vorlage um ein vielfaches übertrifft und in seiner Art
bis heute unübertroffen und wie der Tanz
der Vampire Geschichte schreiben sollte.
Dann schlug
das Schicksal abermals brutal zu. Am 09.08.1969 wird Roman
Polanskis Frau Sharon Tate, im neunten
Monat schwanger, von Mitgliedern einer radikalen satanischen
Sekte, bekannt als der Manson Family, ermordet als er selber
außer Hauses ist. Vor der Öffentlichkeit schweigt
sich Polanski stets zu diesem Thema aus, man kann sich seine
Gefühle diesbezüglich aber sicher auch vorstellen,
ohne jemals ähnlich finstere Erfahrungen gemacht zu haben
(was auch niemandem zu wünschen ist!!!)
Als Reaktion
auf die Bluttat (auch wenn er dies später bestreiten
sollte) dreht Polanski 1971 die überaus blutrünstige
(und deshalb auch eher kontrovers aufgenommene) Shakespeare-Adaption
"Macbeth", die aber inzwischen gänzlich rehabilitiert
ist und als einer seiner besten Filme, ja gar als eine der
besten Shakespeare-Verfilmungen überhaupt, gilt.
Als Privatmann
zieht er sich immer mehr aus dem Focus der Öffentlichkeit
zurück, künstlerisch schlägt er erneut eine
Haken und dreht in Italien die (enttäuschende) Komödie
"Was?", einer seiner schwächeren Filme. 1974
folgt hingegen wieder ein weiteres anerkanntes Filmmeisterwerk
Polanskis, der Detektiv-Thriller "Chinatown", den
er zunächst gar nicht inszenieren wollte, lediglich die
Aussicht auf eine gemeinsame Arbeit mit einem seiner Lieblingsakteure,
dem großen Jack Nicholson, konnte ihn umstimmen. Weil
ihn Paparazzi und allzu lästige Klatschjournalisten,
die ständig in seinem Privatleben umherspionieren, anekeln
(dies ist bis heute so geblieben), baut er sich selber eine
bitterböse Szene in den Film ein, wo er als kleiner Gauner
dem Detektiv seine "Schnüffelnase" aufschlitzt.
1976 folgt
ein weiteres großes surrealistisches Meisterwerk des
kleinen Polen, "Der Mieter", ein Film, der atmosphärisch
wieder sehr nah an "Ekel" und "Rosemaries Baby"
liegt und eventuell sogar als Abschluss einer Trilogie gesehen
werden kann. Die ZEIT schrieb seinerzeit über den "Mieter"
als einen "leisen Horror-Film über banale Schrecknisse."
Dem ist nichts hinzuzufügen, Polanski ist noch einmal
richtig gut.
In den
folgenden 10 Jahren wendet sich das Blatt und eine lange Zeit
persönlicher, künstlerischer und finanzieller Tiefschläge
treffen Polanski. Zunächst wird er aus den USA ausgewiesen,
weil er 1977 ein dreizehnjähriges Mädchen in der
Wohnung von Jack Nicholson vergewaltigt haben soll, Aussage
steht gegen Aussage, doch zu vieles spricht für eine
Verleumdungskampagne.
Er lässt
sich in Paris nieder und verdingt sich als Theaterregisseur,
schließlich inszeniert er 1979 den Thomas Hardy Roman
"Tess of the d'Ubervilles" mit seiner damaligen
Lebensgefährtin Nastassja Kinski. "Tess" wird
zu einem fulminanten Flop, sowohl künstlerisch wie an
den Kinokassen. Polanski zieht sich für die nächsten
7 Jahre komplett ins Theater zurück.
Schließlich
will man ihn endlich sein über 10 Jahre altes Wunschprojekt
inszenieren lassen, "Piraten". Der Film wird zum
teuersten Projekt, das Polanski je realisierte - und abermals
zum Totalflop. Als beinahe jeder Roman Polanski abgeschrieben
hat, überrascht dieser plötzlich nur ein Jahr nach
den "Piraten" wieder mit dem frischen und spannenden
Thriller "Frantic", der wieder ein großer
Erfolg wird. Dennoch arbeitet der Meister weitere vier Jahre
für das Theater, bis er dann 1991 wieder mit der filmischen
Grausamkeit "Bitter Moon" in die Lichtspielhäuser
zurückkehrt, seinem allerschlechtesten Film, der zurecht
komplett bei Kritik und Publikum durchfällt.
1994 folgte
das souveräne Drama "Der Tod und das Mädchen"
sowie 1996 der Film "Gli Angeli", der aber bislang
nicht in den Kinos zu sehen war. "Die neun Pforten"
enttäuschte die Polanskifreunde 1999 noch einmal, so
kommt es, das er beinahe (wieder einmal) endgültig abgeschrieben
wird, doch er wäre nicht er selbst, wenn er nicht immer
wieder überraschen würde, denn 2002 folgt sein Spätwerk
"Der Pianist", ein sensibles Drama, das seine Kindheit
im Krakauer Ghetto aufarbeitet und für das er endlich
einen (verdienten) Oscar einfährt. Das Alter scheint
Polanski ein wenig milde gestimmt zu haben.
Dem Vernehmen
nach arbeitet er seit einem knappen Jahr an einer Verfilmung
des "Oliver Twist" Stoffes, angeblich ein langgehegter
Wunsch des kleinen Mannes, der aber dennoch einer der ganz
ganz Großen in der Welt des Filmes geworden ist. Sein
Lebenstraum hat sich schließlich nach all den Schrecknissen,
die er durchleben musste, erfüllt.
Roman
Polanski ist einer der besten Filmregisseure aller Zeiten,
auch wenn er mitunter wahrlich enttäuschte. Doch dies
sei ihm angesichts all dessen verziehen.
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