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Lemora: A Child's Tale of the Supernatural
AKA: Lemora, Lady Dracula, Legendary Curse of Lemora, Lemora - Innocence Possessed

USA, 1973, Farbe, 85 min

 
Regie: Richard Blackburn
Drehbuch: Richard Blackburn, Robert Fern
Kamera: Robert Caramico
Musik Dan Neufeld
Produzent Robert Fern
 
Lesley Gilb Lemora
Cheryl Smith Lila Lee
Richard Blackburn Reverend Mueller
William Whitton Alvin Lee
Hy Pike Busfahrer
Maxine Ballantyne Alte Frau


Der Süden der USA, irgendwann in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts.
Lila Lee, die 13jährige Tochter des flüchtigen Gangsters Alvin Lee, der seine eigene Ehefrau - Lilas Mutter - und deren Liebhaber in flagranti im Bett erwischte und sie voller Blei pumpte, lebt als Adoptivtochter im Haus des Baptistenpredigers Reverend Mueller und singt engelsgleich in dessen Gottesdiensten. Lila ist ein frommes, gottesfürchtiges Mädchen und Mueller bemüht sich redlich, seine "mannhaften" Gefühle dem jungen Mädchen gegenüber, das sich allmählich zu einer Frau entwickelt, unter Kontrolle zu halten.

Eines Tages erreicht Lila ein mysteriöser Brief von einer Dame namens Lemora, die eine Art Waisenhaus führt. Ihr Vater sei bei ihr, er liege im Sterben und erbäte sich Vergebung für all seine Untaten von seiner Tochter, die er gern noch einmal sehen würde. Noch in der folgenden Nacht macht sich Lila auf, die verlorene Seele ihres Vaters zu retten und stiehlt sich heimlich aus des Reverends Haus davon, denn, so ist sie sich sicher, er würde vermutlich versuchen, sie von ihrem Vorhaben abzubringen, hinterlässt Mueller jedoch, ganz das gute Kind, noch eine Notiz um ihn von ihren Absichten zu unterrichten.

Voller Gottvertrauen macht sich das Mädchen auf den Weg zu jenem mysteriösen Ort, an dem ihr Vater mit dem Tode ringt, doch bereits an der nächsten Busstation, welcher sich offensichtlich im Rotlichtbezirk der Stadt befindet, beginnt es bizarr zu werden. Der Fahrkartenverkäufer grinst ein wenig zu schleimig und der Busfahrer, dessen einziger Fahrgast Lila bleibt, scheint ein potentieller Irrer zu sein. Als nach langer Fahrt der Bus in einem nächtlichen Wald stehen bleibt, fallen monströse Tiermenschen (Werwölfe?) über sie und den Fahrer her, der offensichtlich von ihnen verschleppt wird. Lila kann zwar zunächst entkommen, verliert aber dann das Bewusstsein.

Als sie wieder erwacht befindet sie sich in einer kleinen verschlossenen Hütte. Da erscheint eine alte Frau, einer schrumpeligen Hexe gleich, die ihr zwar ein Essen bringt, sie aber zu Tode erschreckt. Lila muss einen weiteren Tag in der verschlossenen Klause verbringen, zwischendurch erscheinen immer wieder seltsam blasse Kinder am vergitterten Fenster, die Lila gleichermaßen erschrecken und necken. Als am Abend die schreckliche Alte erneut erscheint, gelingt es Lila sie zu überwältigen und in das große Haus gegenüber ihres Gefängnisses einzudringen. Dort begegnet sie der rätselhaften Lemora, der Verfasserin des Briefes, wegen dem Lila sich auf die alptraumhafte Reise begab. Lemora, die ein seltsames Interesse an Lila zu haben scheint, badet sie, speist sie mit obskuren Dingen und Tränken und singt mit ihr. Allmählich lernt Lila all die weiteren sonderbaren Hausbewohner kennen und es wird zunehmend unheimlicher.

Der Alptraum steigert sich ins unermessliche, als Lila feststellt, in welchem Zustand ihr Vater ist und was für ein monströses Wesen sich tatsächlich hinter der Fassade der gütigen Lemora verbirgt. Inzwischen hat sich auch Reverend Mueller auf den Weg gemacht, seine geliebte Lila nach hause zu holen. Wird es dem Gottesmann gelingen, Lila Lee aus den Fängen Lemoras zu befreien?


Als würden der "Lolita" Autor Vladimir Nabokov, Peter Weir in seiner "Picknick am Valentinstag" Phase und die Gebrüder Grimm David Lynch in Twin Peaks besuchen, damit dort alle zusammen einen draufmachen können, so in etwa wirkt Richard Blackburns hochgradig kultiges Vampirmärchen aus dem Jahre 1973. Ok, Lynchs filmische Arbeit steckte zu der Zeit noch in den Kinderschuhen und auch Weirs formidabler "Valentinstag" entstand tatsächlich erst zwei Jahre später, also 1975, aber ich sage ja nicht, dass die Genannten Einfluss auf die Entstehung von "Lemora" hatten, ich versuche lediglich anhand dieser bekannteren Filme und Personen die Stimmung zu schildern, die der hier besprochene, leider viel zu wenig bekannte Film vermittelt.

In Wahrheit, so erzählt man sich immer wieder an den Lagerfeuern, habe Regisseur / Co Drehbuchautor / Schauspieler Richard Blackburn (spielt im Film den gottesfürchtig geifernden Adoptiv-Vater Lilas) lediglich den Vampirstreifenboom Anfang der 70'er in den USA ausnutzen wollen, den die Count Yorga Filme (siehe hier und hier) ausgelöst hatten, um ordentlich Kohle abzuzocken. Dies allerdings darf man wohl getrost ins Reich der Mythen abtun, denn eine Vielzahl von Argumenten spricht dagegen.

"Lemora" geriet hierfür viel zu ambitioniert, zu kryptisch, zu surreal und bizarr, aber auch zu poetisch und hintergründig um auch nur ansatzweise vermuten zu lassen, hier habe man es mit einem potentiellen Blockbuster zu tun. Der Film ist schlicht zu anspruchsvoll dafür und von gänzlich anderer Machart als die eher exploitationmäßig angelegten Yorga Filme. Unverkennbar und offensichtlich sah sich Blackburn beeinflusst von HP Lovecraft und Charles Laughtons spätexpressionistischem Meisterwerk "Die Nacht des Jägers" von 1955, in dem sich ebenfalls Kinder auf eine gefahrvolle und alptraumhafte Reise machen müssen.

Was aber diesen Film von dem Laughtons so grundsätzlich unterscheidet und wieder in die Nähe Lynchs und Weirs rückt, ist die gar nicht mal so unterschwellige Erotik, die stets bei "Lemora" mitschwingt. Da ist zum einen Lila, die sich ihrer Wirkung auf die Männer gar nicht bewusst ist, die als frommes Christenmädchen gar nicht merkt wie ihre Sexualität erwacht. Ausgerechnet dieses Musterexemplar an Tugend im Körper einer Kindfrau stolpert hier also durch allerlei groteske und demütigende Abenteuer, kein Wunder, dass der Film gerade im irgendwie doch etwas (wie es scheint) Lolita-fixiertem Frankreich (ohne Euch zu nahe treten zu wollen, liebe Nachbarn auf der anderen Rheinseite) als einzigem Land überhaupt zu einem akzeptablen Erfolg wurde.

Auf der anderen Seite haben wir da Lemora, die Haare zu einem strengen Dutt hochgesteckt, die Kleidung hochgeschlossen, doch in Wahrheit ist sie ein sukkubushafter Vampir, der nach Lilas Blut lechzt. Die Metapher ist ja wohl nicht ganz schwer zu verstehen, würde ich meinen. Der Reverend, der sich heimlich nach dem Mädchen verzehrt, gehört ebenso wie der pädophil wirkende Fahrkartenverkäufer zu den behaarten "Werwölfen", die in den Wäldern lauern, und die abschließende Metamorphose Lilas zu einem mächtigen Wesen, das nun die sabbernden "Werwölfe" nicht mehr zu fürchten braucht (dennoch kann man aber nicht gerade von einem Happy End sprechen), muss nun eigentlich nicht mehr in irgendeiner Form erklärt werden, oder?

Somit funktioniert "Lemora" also tatsächlich ein wenig ähnlich wie die guten alten Märchen der Grimms und Konsorten, die ja eher eine Sammlung überlieferter Volkserzählungen sind und von erotischen Anspielungen und ausschweifendem Gedankengut nur so strotzen. Ganz sicher waren die blutrünstigen Geschichten um Hexenverbrennungen, kinderstehlende Dämonen und männermordende Intrigantinnen genau so wenig als Gute-Nacht-Geschichten für Kinder gedacht, wie dieser Film es ist.
Zwar würde ich nicht so weit gehen, zu behaupten, man habe es hier mit einem Meisterwerk zu tun, aber mit einem ziemlich ungewöhnlichen, verstörenden, unheimlichen, abgedrehten und interessanten Vetreter seiner Gattung allemal, vielleicht sogar mit einem der besten Vampirfilme seiner Dekade.

In Deutschland ist dieser Film (einmal mehr) leider nie erschienen, im englischsprachigen Raum musste man sich ziemlich lange Jahre über mit einer VHS Version, die Anfang der 90'er Jahre mal irgendwann die Firma "Moore Video" herausgab (und die dieser Rezension zugrunde liegt) begnügen, im letzten Jahr erschien der Film dann endlich auch auf einer hervorragend gemachten (wie man liest) DVD bei "Synapse", einem US Label, über das ich ehrlich gesagt nichts weiß, außer das man sich dort unbedingt diesen Film besorgen sollte.

Ihr Damen und Herren deutscher DVD Manufakturen, findet Ihr nicht, es wäre an der Zeit, diesen fast vergessenen Klassiker endlich auch dem hiesigen Markt zur Verfügung zu stellen? Ich bin mir sicher, er fände seine Käufer...

 

     



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