A
Fool there was
AKA: Embrasse-moi
idiot!
USA,
1915, s/w, Stummfilm, 67 min |
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|
Regie |
Frank
Powell |
Drehbuch |
Rudyard
Kipling (Gedicht)
Porter Emerson Browne (Stück) |
Kamera:
|
George Schneiderman |
Produzent:
|
William
Fox |
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|
Theda
Bara |
Der
Vampir |
Runa
Hodges |
Das
Kind |
Mabel
Frenyear |
Kate
Schuyler |
Edward
José |
John
Schuyler |
Clifford
Bruce |
Tom |
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Das Schicksal
meinte es bislang gut mit John Schuyler, einem wohlhabenden, glücklich
verheirateten Wall Street Anwalt mit prächtig geratenem Kind
und guten Freunden. Kaum könnte es besser laufen für ihn,
da wird ihm auch noch eine besondere Ehre zuteil: Er soll die Vereinigten
Staaten als Sonderbotschafter bei einem Handelsabkommen in Europa
vertreten. Also nichts wie ein schönes Schiff gechartert und
frischfrommfröhlichfrei in die alte Welt gedampft um einmal
mehr zu brillieren, so denkt er sich. Doch bereits am Vorabend seiner
Abreise braut sich ein düsterer Sturm zusammen, die Elemente
scheinen Schuyler vor den Dingen, die da kommen sollen, warnen zu
wollen.
Nichts desto
Trotz begibt sich Schuyler an Bord des Atlantikschiffes, nicht ahnend,
das eine böse Femme Fatale (in den Zwischentiteln stets nur
"The Vampire" genannt) bereits ihre Fühler nach ihm
ausgestreckt hat. Als der "Vampir" seinem (ihrem) letzten
Opfer Lebewohl sagt, erschießt dieser sich umgehend. Nun steht
der Verführerin nichts mehr im Wege den armen Schuyler zu umgarnen,
und schon beginnt sie ihr perfides Spiel mit ihm zu treiben. Schuyler
verfällt dem Vampir mit Haut und Haaren und verliert nach und
nach alles, Frau, Familie, Freunde, schließlich sein Ansehen,
seine Würde und ganz am Ende seine körperliche wie geistige
Gesundheit. Als gänzlich ruiniertes Drogen- und Alkoholwrack
stirbt er geistig umnebelt zu Füßen der gefährlichen
düsteren Schönheit, die vergnügt Rosenblätter
über den Leichnam verstreut. Es ist Zeit, sich einem neuen
Opfer zu widmen...
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Seien wir ehrlich,
rein cineastisch betrachtet ist dieses ziemlich eindimensionale
Filmchen von 1915 nicht gerade das, was man spektakulär nennen
möchte. Dennoch verdient "A Fool there was" unbedingt
eine genauere Betrachtung, denn wir werden noch sehen, dass der
Film tatsächlich ein echter Wegbereiter war, der nicht nur
vieles für die amerikanische Kinophantastik der 1920'er und
30'er Jahre vorwegnahm und somit die "Gothic"-Filme maßgeblich
mit beeinflusste, sondern beinahe die frühe Plattform der modernen
Traumfabrik und dem mit ihr verbundenen Starkult bildete.
Und das kam
so:
Der clevere Filmproduzent William Fox kaufte die Rechte an dem enorm
erfolgreichen 1909 uraufgeführten Theaterstück "A
Fool there was" von Porter Emerson Browne, der seine Geschichte
auf Motiven des Rudyard Kiplings Gedichtes "The Vampire"
aus dem Jahre 1897 (dem Jahr also, in dem auch der legendäre
Roman Dracula
von Bram
Stoker erschien) aufbaute. Kipling wiederum soll seinerzeit
von dem skandalumwitterten Gemälde "A Vampire" seines
Cousins Philip Burne-Jones zu dem Poem inspiriert worden sein, welches
eine gotische Schönheit in einem weißen Nachtgewand triumphal
lächelnd über dem leblosen Körper eines Mannes zeigt,
die Schlussszene des Films quasi, um den es hier eigentlich geht.
Fox ließ sich Zeit mit "A Fool there was", bis er
1914 endlich gefunden hatte, was ihm seiner Meinung nach für
den perfekten Film fehlte: die Idealbesetzung der Vamprifrau. Diese
erkannte er in der bis dahin reichlich erfolglosen Theatermimin
Theodosie de Coppett, der er umgehend einen neuen Namen und ein
komplettes Image verpasste. De Coppett, die (vermutlich) 1885 unter
dem Namen Theodosia Burr Goodman als Tochter nicht unvermögender
jüdisch-polnischer Einwanderer in Cincinnati das Licht der
Welt erblickt hatte, sollte fortan unter dem Namen
Theda Bara (angeblich ein Anagramm für Arab Death, was
aber gewiss eher Zufall denn Kalkül war, den Theda war einfach
nur der von Theodosia abgeleitete Rufname, Bara entlieh sie sich
vom Namen ihres Großvaters mütterlicherseits) als schillernde
Filmdiva eine bis dahin nicht gekannte Karriere machen. Tatsächlich
geriet "A Fool there was" nicht zuletzt dank Bara zu einem
so gigantischen Erfolg, das sie neben Charlie Chaplin zum größten
Star ihrer Zeit aufstieg, zur ersten Sexgöttin, zur Personifizierung
ihres Images von der männerverschlingenden Lamia, das freilich
nichts anderes als eine reine Schöpfung war. Legenden wurden
um sie aufgebaut, angeblich sei sie eine in Ägypten geborene
Prinzessin, Tochter eines arabischen Adeligen und einer italienischen
(einer anderen Version zufolge französischen) Mutter und ähnlicher
Unsinn wurde erfunden um ihr die Aura der Geheimnisvollen zu verpassen.
Bara selber versuchte stets, dies aufrecht zu erhalten, auch als
den meisten ihrer Fans bereits hinlänglich bekannt war, dass
sie verschaukelt worden waren und man ihnen ein reines Kunstprodukt
verkauft hatte. Ihre Popularität knickte seltsamerweise dennoch
kaum ein, das Publikum akzeptierte Thedas Image weiterhin. Erst
in den 20'er Jahren, als Filme wie "A Fool there was"
nicht mehr gefragt waren und niemand Bara gegen eben dieses Image
besetzen wollte, begann ihr Stern zu sinken. Eine Falle, in die
sie sich selbst manövriert hatte, schnappte also zu. Später,
als der Tonfilm aufkam, wollte man Theda angeblich nicht mehr besetzen,
weil ihre Stimme nicht zu ihrem Aussehen gepasst haben soll, aber
der eigentliche Grund lag wohl eher darin behaftet, dass der Zahn
der Zeit auch vor einer Femme Fatale nicht halt macht, so verblasste
der Ruhm Theda Baras, die 1955 in Los Angeles an Krebs dahinschied
und heute relativ vergessen ist. Sie starb allerdings nicht vereinsamt
und verarmt wie so viele Vergessene des Showbusiness, sondern überaus
vermögend in den Armen ihres Mannes Charles Brabin, einem erfolgreichen
Regisseur, der seiner Theda nur zwei Jahre später ins Grab
folgte.
Schon allein
optisch stand fortan das Modell Theda Bara Pate für all die
(männer)mordenden gotischen Vampirbräute und gnadenlosen
Verführerinnen, quasi ein Gothic Rolemodel, wenn man so will,
mit pechschwarzer Mähne, die ein fast untot wirkendes weißes
Gesicht einrahmt, Augen und die begehrlichen Lippen tiefschwarz
geschminkt, schwarze und weiße Gewänder, die aus ihrem
eigenen Besitz gestammt haben sollen (vermutlich ebenfalls nur ein
Fake.) Natürlich hatte man das Make up nicht allein aus rein
ästhetischen Gründen derart gestaltet, hier muss ein für
alle mal mit dieser Legende aufgeräumt werden, denn in der
Hauptsache hatte dies einen praktischen Grund, nämlich den,
die Kontraste auf dem relativ schwachen schwarzweiß Bildmaterial
hervorzuheben. Dennoch machte es natürlich Eindruck und prägte
das Bild bis in unsere Zeit.
William Fox
übrigens begründete sein Film-Imperium, welches schließlich
in den Firmen 20th Century Fox und Fox Television gipfelte, tatsächlich
auf "A Fool there was" und hatte somit der gesamten Filmindustrie
vorgelebt, wie man es anzustellen hatte, mit dem noch recht jungen
Medium Film nicht nur ordentlich Geld zu verdienen, sondern wie
man eben tatsächlich eine wahre Traumfabrik aus dem Boden stampfte
und dem Publikum verkaufen konnte, was es angeblich sehen wollte.
Dieser seit fast hundert Jahren bewährte Mechanismus funktioniert
ja noch heute einwandfrei und gut geölt im Hochglanz Filmgewerbe
von Bruckheimer, Jackson, Lucas und Co.
Um nun langsam
wieder den Bogen zu unserer Eingangsbemerkung zu schlagen: Der Film
an sich ist, obschon eben ein Pionierwerk, nicht unbedingt herausragend
und schon gar nicht geeignet für Leute, die vielleicht a) ein
Frühwerk der Kinophantastik a la Nosferatu, "Metropolis"
oder "Caligari" erwarten, b) von einem Werk mit vom Theater
inspirierter Dramatik ausgehen oder c) mit Urgroßvaters Kino
prinzipiell eher wenig bis gar nichts anfangen können. Dabei
liegen die Schwächen des Films eher nicht an der für die
damalige Zeit oft übertriebenen Darstellung der Schauspieler,
deren Spiel ja zumeist noch auf den Bühnen der Theater des
19. Jahrhunderts erlernt worden war und im Stummfilm das fehlende
Element der Sprache im Ausdruck auszugleichen versuchte. Diese Art
von Schauspiel wirkt einstweilen auf unsere heutigen Sehgewohnheiten
doch arg befremdlich, findet aber in "A Fool there was"
gar nicht unbedingt in der Form statt, was sehr erstaunlich ist.
Gerade Theda überzeugt völlig in ihrer Rolle des männermordenden
Vampirs, wobei der Ausdruck Vampir hier erstmals in der Entsprechung
der Femme Fatale in einem Film verwendet worden ist, woraus sich
im folgenden der Ausdruck Vamp als Synonym für dieses Klischee
ableitete.
Auch die technischen
Gegebenheiten der damaligen Zeit sind es nicht, die den Film eher
belanglos machen, die oftmals unzureichende Ausleuchtung der Szenen
oder die doch eher stümperhafte Bildmontage beispielsweise,
denn das Medium steckte ja gerade eben in den Babyschuhen, Equipment
und Knowhow waren halt noch nicht so weit und das ist auch ok so.
Was den Film dennoch langatmig (obwohl nur etwas mehr als eine Stunde
lang) und beliebig erscheinen lässt, ist die völlig unmotivierte
und undramatische Inszenierung Frank Powells, der es einfach nicht
schafft, dem Victorianischen Gesellschaftsdrama die nötige
Tiefe zu verleihen. Mutig allerdings ist wieder das für die
Zeit ungewöhnliche Ende des Films, das die Unmoralische am
Ende nicht nur triumphieren lässt, sondern sie auch noch straffrei
davonkommen lässt. So etwas hatte man damals noch nicht gesehen,
und vermutlich machte genau jener Umstand den Film zu einem Kassenmagneten
und Theda zu einer "Vampirin", von der sich jeder männliche
Zeitgenosse in seinen feuchten Träumen ins Verderben treiben
lassen mochte.
"A Fool
there was" ist ein beinahe vergessener Klassiker des "Vampirfilms"
(oder seiner amerikanischen Vorform, wenn man so möchte), der
zwar kein unnatürliches, bluttrinkendes Wesen zeigt, dennoch
aber eine Form von Vampir, die manch einem besonders gefährlich
werden mag, und somit sicher mit einiger Berechtigung in einem Atemzug
mit Pionierarbeiten des Vampirfilms wie Murnaus
Nosferatu, Brownings
London after Midnight (und
nicht zuletzt auch dessen Dracula)
oder Dreyers Vampyr
zu nennen ist, wenngleich er doch auch qualitativ weit hinter den
genannten Werken einzuordnen ist. Zudem schafft er den frühen
filmischen zum klassischen Motiv der Femme Fatale der romantischen
Epoche, zu Le
Fanus "Carmilla", Coleridges "Christabel"
und Keats
Belle Dame sans Merci.
Aufgrund seiner
Pionierleistung und nicht zuletzt auch wegen
Theda Bara haben wir uns nach langer Überlegung zu einer
Dreierwertung entschlossen, auch wenn aufgrund der eindimensionalen
Geschichte und der schwachen Inszenierung sicher nicht viel mehr
als eine 2 gerechtfertigt gewesen wäre. Doch letztlich muss
natürlich auch das enorme Alter des Films berücksichtigt
werden.
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