Theda
Bara
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Theda
Bara ist ein Mythos, und zwar ein äußerst wunderlicher.
Dereinst entzaubert umwabert die Dame inzwischen längst
wieder der nebulöse Hauch des Abseitigen, Mysteriösen,
Magischen und Lasterhaften. Theda war zu ihrer Zeit, den 1910'er
Jahren des 20. Jahrhunderts und somit der Kinderstube Hollywoods,
die personifizierte Verkörperung der Femme Fatale, des
Luders, des Vamps, letztlich des archetypischen Vampirs der
"männermordenden" Art, einer Lilith
oder Salome gleich, eines Sukkubus, wenn man so will, die
den Kerlen Verderben und Unheil bringt, Familien zerstört
und letztlich in ihrem schändlichen Tun obsiegt und im
Film unerhörterweise mit ihrem Tun auch noch straffrei
davonkommt.Was
wurde der schönen Theda nicht alles nachgesagt? Sie sei
die verruchteste Frau ihrer Zeit gewesen, die Tochter eines
Scheichs und einer italienischen Künstlerin und im Schatten
der Pyramiden von Gizeh das Licht der Welt erblickt haben,
doch eigentlich wurde ihre Vita auf jedes ihrer Filmprojekte
passend neu erfunden. Sie ist, wie wir noch sehen werden,
im Prinzip das Role Model, das die noch heute gültigen
Regeln der Traumfabrik von Hollywood vorlebte ohne sie allerdings
selber erfunden zu haben - ein Kunstwesen. Sie spielte quasi
permanent die Theda Bara, jene Film- und Sexgöttin, mit
der die Frau dahinter eigentlich wenig verband und in ständigem
Zwietracht stand.
Hier ist ihre Geschichte.
Ihr genaues
Geburtsdatum liegt tatsächlich im Ungewissen, doch die
meisten und verlässlichsten Quellen geben den 20. oder
29. Juli des Jahres 1885 als Tag an, an dem sie unter dem
Namen Theodosia Burr Goodman als Tochter einer wohlhabenden
jüdisch osteuropäischen Auswandererfamilie in Avondale,
einem Vorort der Großstadt Cincinnati in Ohio, USA,
geboren wurde. Zwischen 1899 und 1903 soll sie die Walnut
Hills High School in Cincinnati besucht haben und anschließend
an der Universität von Cincinnati studiert haben.
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Gegen
den ausdrücklichen Willen ihrer Eltern setzte sie ihren Wunsch
durch, Schauspielerin zu werden und ging nach New York. Hier versuchte
sie unter dem Namen Theodosia de Coppett als Bühnenschauspielerin
Karriere zu machen, was ihr aber nicht so recht gelingen wollte
Zwar spielte sie eifrig, der große Erfolg aber blieb aus,
was sich ändern sollte nachdem sie im Jahre 1914 auf den Produzenten
William Fox traf.Der hatte schon früh die Rechte an dem Bühnenstück
A Fool
there was erworben und war auf der Suche nach der idealen Schauspielerin,
die die Rolle der männerverschlingenden Vampirfrau nicht nur
überzeugend spielen könnte, sondern auch zu personifizieren
in der Lage sein würde, und fand seine Idealbesetzung in Theodosia.
Zunächst verpasste er seinem künftigen Star einen neuen
Namen, der sogleich auch mit einer völlig neuen Identität
einher ging. Er nannte sie Theda Bara und es wurde verbreitet, der
Name sei ein Anagramm von "Arab Death", was aber ziemlich
sicher dem Zufall geschuldet ist, denn Theda war einfach nur der
von Theodosia abgeleitete Rufname, den sie schon seit Kindheitstagen
hatte, Bara leitete sich vom Familiennamen ab, der amerikanisiert
Burr lautete. Da bleibt also wenig mysteriöses, dennoch trägt
so eine Geschichte ja massiv zur Legendenbildung bei.
A Fool there was geriet zu einem damals nicht gekannten Filmerfolg,
Bara wurde zum Shootingstar, zur allerersten Filmdiva Hollywoods
(obschon dort erst einige Jahre später gedreht werden sollte,
denn tatsächlich stellte Fox seine frühen Film allesamt
noch an der Ostküste her), zur Schlampe de Luxe, wenn man so
will, die Männerphantasien in einem bis dahin nie gekannten
ausmaß bediente. Fox machte Millionen mit ihr und baute tatsächlich
sein Filmimperium, das schließlich in der 20th Century Fox,
Fox Searchlight und Fox Television aufging auf dem Grundstein A
Fool there was auf. Die Kassen klingelten gehörig und Bara
gab sich alle Mühe, ihr verruchtes Image aufrecht zu erhalten,
auch wenn sie es selber niemals mochte. Sie ließ sich in hauchdünnen
Kleidchen ablichten, die mehr ent- als verhüllten, trat in
den seltsamsten Roben und ihrem berühmten Make up bei Pressekonferenzen
auf, aß dabei auch schon mal rohes Fleisch, wenn Fox dies
für eine gute Idee hielt, und drehte fortan quasi immer wieder
den gleichen Film, der sie als böse Verführerin zeigte.
Auf rund 40 derer brachte sie es insgesamt, die Titel trugen wie
"The Tiger Woman" oder "The Devil's Daughter".
Leider sind die wenigsten von ihnen heute noch erhalten.
Nachdem Bara
insgesamt 23 Filme für die Fox Studios in New Jersey gedreht
hatte, war "Cleopatra" 1917 der erste Streifen, den Fox
in Hollywood drehen ließ, und zwar mit einem damals ganz und
gar nicht üblichen gigantischen Material- wie Finanzaufwand.
Er ließ riesige Sets in der kalifornischen Wüste bauen,
engagierte Hunderte von Statisten, die er auch ausstattete, und
richtete ein komplett neues Filmstudio in dem bis dahin unbedeutenden
Vorort von Los Angeles ein. Ein zusätzliches Risiko wagte Fox
mit der für seine Zeit epischen Filmlänge, die mit gut
zwei Stunden locker doppelt so lang war wie damals üblich,
doch der gigantische Erfolg von "Cleopatra" gab ihm letztlich
recht. "Cleopatra" darf als eigentliche Geburt der Traumfabrik,
die seitdem untrennbar mit dem Namen Hollywood verbunden ist, betrachtet
werden, Theda Bara, jetzt auf dem Zenit ihrer Karriere, als ihre
erste Göttin. Das Tandem Fox und Bara hatten somit vorgelebt,
wie man es fortan anzustellen hatte, mit dem noch recht jungen Medium
nicht nur Unmengen Geld zu verdienen, sondern wie man eben tatsächlich
eine wahre Industrie aus dem Film machte und dem Publikum verkaufte,
was es angeblich sehen wollte. Dieser seit fast hundert Jahren bewährte
Mechanismus funktioniert ja noch heute einwandfrei und gut geölt
im Hochglanz Filmgewerbe von Bruckheimer, Jackson, Lucas und Co.
Theda, inzwischen
so populär wie höchstens noch Charlie Chaplin neben ihr,
war gar der erste Filmstar, dem die US Post eine eigene Briefmarkenkollektion
widmete. Doch ab 1922 sollte sich für Theda einiges ändern,
denn mit dem Aufkommen der so genannten "Hay Kommission"
(nach William H. Hays), einer Art nicht ganz freiwilliger Selbstkontrolle
der amerikanischen Filmwirtschaft, wurden Filme plötzlich auf
ihre moralische Integrität hin geprüft, Ziel war es, alles
was in irgendeiner Form als lasterhaft und moralisch nicht einwandfrei
angesehen werden konnte, von der Leinwand zu verbannen, was auch
und gerade für die freizügigen Kostüme galt, für
die Bara ja bekannt und beliebt war. Fox verlor das Interesse an
seinem Star, denn niemand wollte die Diva und Vampirfrau Theda Bara
gegen ihr Image, das plötzlich ja nicht mehr gefragt war, besetzt
sehen. Eine Falle schnappte also zu, in die sie sich selbst manövriert
hatte. Später, als der Tonfilm aufkam, wollte man Theda angeblich
nicht mehr besetzen, weil ihre Stimme nicht zu ihrem Aussehen gepasst
haben soll, aber der eigentliche Grund lag wohl eher darin behaftet,
dass der Zahn der Zeit auch vor einer Femme Fatale nicht halt macht,
so verblasste der Ruhm Theda Baras allmählich und die Traumfabrik
gebar neue, entschärftere Traumfrauen. Theda zog sich im Jahre
1926, nachdem sie noch in ihrer Selbstparodie "Madame Mystery"
zu sehen war, komplett aus dem Filmgeschäft zurück und
versuchte nie ein Comeback, denn eigentlich war sie froh, ihr Image
endlich hinter sich lassen zu können.
Bereits 1921
hatte sie den erfolgreichen Regisseur Charles Brabin geehelicht.
Mit ihm lebte sie fortan das Leben wohlhabender Menschen im Ruhestand.
Sie reiste viel und hielt oft Gesellschaften ab, bei denen sie eine
perfekte Gastgeberin gewesen sein soll. Kaum jemand wusste, das
Theda Bara jenseits ihrer Kunstfigur eine großzügige
und sozial engagierte Frau war, die während des Ersten Weltkrieges
Soldatencamps besuchte, Hunderttausende von US-Dollar in Kriegsanleihen
anlegte und stets einen nicht unerheblichen Teil ihrer Honorare
für wohltätige Zwecke spendete.
Am 7. April 1955 verstarb Theda Bara an einem Krebsleiden in den
Armen ihres Mannes Charles, der ihr zwei Jahre später ins Grab
folgte.
Die Figur hinter
der Frau aber, die unsterbliche Lamia Theda Bara, hat ihren Platz
in der Filmgeschichte und steht für alle Zeit optisch als Patin
für all die (männer)mordenden gotischen Vampirbräute
und gnadenlosen Verführerinnen mit ihrer pechschwarzen Mähne,
die ein fast untot wirkendes weißes Gesicht einrahmt, den
tiefschwarz geschminkten Augen und begehrlichen Lippen, ihren extravaganten
Roben und dem Image, das immer wieder mit dem Orient und dem Tod
assoziiert wurde. Damit faszinierte sie nicht nur eine künstlerische
Avantgarde, sondern hat das noch heute gebräuchliche Starsystem
bis hin zu zeitgenössischen Vertreterinnen dieser Kaste wie
Madonna begründet
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