Edgar
Allan Poe
Was Goethe und
Schiller für Deutschland, Dante für Italien und Cervantes
für Spanien bedeutet, ist zweifellos Edgar Allan Poe für
die Vereinigten Staaten; er ist der Klassiker. Doch damit noch längst
nicht genug, all seine literarischen und kulturellen Verdienste
aufzuzählen, würde benahe den Rahmen sprengen, denn tatsächlich
ist Poe einer der wohl einflussreichsten und bedeutendsten Schriftsteller
der gegenwärtigen Literatur, den Bereich der Phantastik betreffend
ist er vermutlich sogar der Innovator und Wegbereiter überhaupt.
Heerscharen von Autoren, die sich dem Genre verpflichtet fühlen
und fühlten, sahen und sehen sich von Poe maßgeblich
beeinflusst und inspiriert, Algernon Blackwood,
HP Lovecraft, Arthur Conan Doyle, Jules
Verne, Charles Baudelaire, Robert Bloch,
Wolfgang Hohlbein - die Liste ließe sich endlos fortsetzen
- sie alle stehen in der Tradition des großen Amerikaners.
Hier ist seine Geschichte.
Edgar
Allan Poe wurde am 19. Januar des Jahres 1809 als Sohn des
Schauspielerpaares Elisabeth und David Poe in Boston, Massachussets,
USA geboren. David soll die Familie bereits kurz nach der
Geburt des kleinen Edgar verlassen haben, war er doch eifersüchtig
auf den größeren künstlerischen Erfolg seiner
Frau Elisabeth, den er ihr missgönnte, doch auch diese
sollte nicht mehr allzu viel davon haben, denn sie verstarb
im Jahre 1811 nach längerem Leiden an Tuberkulose. Edgar,
nunmehr quasi ein Waisenkind, wurde zu seinem Taufpaten John
Allan, einem Tabakfabrikanten aus Richmond, Virginia, gegeben,
von dem er adoptiert und aufgezogen wurde. 1815 siedelte die
Familie Allan ins gute alte Europa nach Schottland um, bis
es sie wieder im Jahre 1820 zurück nach Amerika verschlug.
In jenen britischen Jahren genoss Poe eine exzellente schulische
Ausbildung in der Nähe von London. Als Poe 17 war, begann
er sein Studium an der Universität von Charlottesville,
Virginia, brach es aber bereits etwa ein halbes Jahr später
wieder ab, um sich einer neuen Laune folgend beim Militär
einzuschreiben.
Das Verhältnis
zu seinem Ziehvater John Allan war in all den Jahren denkbar
schlecht. Die künstlerischen Ambitionen des aufsässigen
Jungen passten dem konservativen Industriellen überhaupt
nicht. Doch auch mit dem Militär hatte Poe seine Schwierigkeiten,
so quittierte er recht bald wieder den Dienst, hatte es aber
immerhin auf den Rang eines Sergeant Major gebracht. Ein erneuter
Anlauf zu einer militärischen Karriere scheiterte im
Jahre 1831, als er der altehrwürdigen Militärakademie
von Westpoint verwiesen wurde.
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Inzwischen hatte
er auch erste Gedichte verkaufen können und konnte zusätzlich
noch auf familiäre Geldquellen zurückgreifen, so begann
Poe, inzwischen in Baltimore ansässig, Magazine und Zeitschriften
herauszugeben, die ihm eine Plattform zur Veröffentlichung
seiner eigenen schriftstellerischen Arbeiten boten. In jener Zeit
hatte Poe sich als erfolgreicher junger Künstler wie Unternehmer
etabliert. Doch das Schicksal sollte seinen Lauf nehmen.
1836 heiratete
Poe, der zwischenzeitlich wieder in Richmond (bei seiner Tante)
lebte, seine erst 13 Jahre alte Cousine Virginia Clemm, ein Umstand,
der den endgültigen Bruch zu seinem Stiefvater mit sich brachte.
Die familiären Geldquellen versiegten damit für Edgar,
was eine Vielzahl an Engagements für verschiedene Zeitungen
und Magazine mit sich brachte - der Lebensunterhalt musste bestritten
werden, doch Poe blieb ein unsteter Geist. Die 1840'er Jahre bescherten
Poe den definitiven Durchbruch als Dichter in künstlerischer
wie finanzieller Hinsicht, sein Glück schien fast perfekt,
doch eine Welt brach zusammen als seine über alles geliebte
Virginia 1847 an der Schwindsucht starb, eine der Geißeln
des 19. Jahrhunderts. Poe verfiel sowohl dem Alkohol wie anderen
Drogen und zusehends selbst. Er flüchtete sich in zahlreiche
Liebschaften, beging Selbstmordversuche und trank und trank. Binnen
kurzer Zeit brachte er seine Barschaft durch und verarmte relativ.
Am 7. Oktober
1849 folgte er seiner Virginia nur zwei Jahre nach ihrem Tode selber
ins Grab, er starb in einem Hospital in Baltimore, nachdem er derilierend
auf der Straße aufgefunden wurde. Manchen Gerüchten zufolge
soll er vorhergehend sogenannten Wahlschleppern aufgelegen sein,
zwielichtigen Gestalten, die ihre Opfer abfüllten und betäubten
um sich im Auftrage skrupelloser Politiker die Wahlstimmen der Betrogenen
zu erschleichen. Da die Schlepper ihre Opfer zumeist im Umfeld billiger
Bars und flatterhafter Säufer zu suchen pflegten, ist diese
Version nicht ganz auszuschließen, denn Poe war zu jenem Zeitpunkt
ein hoffnungsloser wie ganz und gar abgebrannter Alkoholiker. Dennoch
ging mit ihm auch zweifellos eines der großen Genies der amerikanischen
Literatur.
Die Bedeutung
des Künstlers Edgar Allan Poe, der im Alter von 16 Jahren mit
dem Schreiben von Gedichten begonnen hatte, erwies sich, wie so
oft, erst posthum. Ganz sicher darf man Poe, der sich selber von
der deutschen Romantik und besonders von ihrem Überdichter
E. T. A. Hoffmann beeinflusst sah und darüber hinaus auch von
Charles Dickens, den er sehr verehrte und auch persönlich kennen
lernen durfte, als den bedeutendsten Vertreter der amerikanischen
Romantik bezeichnen, doch Poe entwickelte die typischen Ausdrucksmittel
dieser Epoche weiter und schuf somit den Übergang zum Symbolismus,
der im besonderen Maße in Frankreich von jungen Wilden wie
Baudelaire, der selber Übersetzer
des Poe'schen Werkes ins französische war, aufgegriffen worden
ist. Der Symbolismus wiederum war der Wegbereiter des deutschen
Expressionismus, welcher somit in Poe ebenfalls eine wesentliche
Vorprägung fand. Zudem gilt Poe quasi als Erfinder der Kurzgeschichte,
der "Short Story", also der amerikanischsten aller literarischen
Ausdrucksformen, und wird seinem Ruf als eben der amerikanische
Klassiker hier besonders gerecht. Nebenher gilt er auch noch als
Vater der modernen Detektivgeschichte, in welcher der Held seinen
Fall mit rationalen wissenschaftlichen Mitteln und logischem Denken
zu lösen pflegt. Wenig bekannt ist, dass Poe auch zahlreiche
Essays schrieb und sich unter anderem leidenschaftlich für
die Themenschwerpunkte Geheimschriften und in besonderem Maße
für die sogenannten Automaten interessierte, also die Vorläufer
der Roboter, wenn man so will, was sich beispielsweise auch in seiner
Geschichte "Der Goldkäfer" niederschlägt.
Die vampirischen
Aspekte in Poes Werk sind besonders in seinen "Femme Fatale"
Geschichten, die einen besonderen Schwerpunkt in seinem Werk ausmachen,
zu entdecken, wie z. B. in "Ligeia", in der wir es mit
einer Wiedergängerin zu tun haben, wie auch in "Morella"
oder bei "Berenice", Poes klassischer Vampirgeschichte.
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