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Jonathan

BRD, 1969, Farbe, 97 min

 
Regie Hans W. Geissendörfer
Drehbuch Hans W. Geissendörfer
Kamera Robert Müller
Musik Roland Kovac
 
Jonathan Jürgen Jung
Graf Paul Albert Krumm
Lenas Mutter Ilse Künkele
Professor Oskar von Schab
Joseph Hans-Dieter Jendreyko
Lena Eleonore Schminke



Irgendwo irgendwann in der Vergangenheit: ein schäbiger Landstrich wird von einer Schar vampirischer Unholde unter Führung eines draculaesken Despoten nebst zwielichtiger Lakaien ausgebeutet und tyrannisiert. Die Landbevölkerung ist versklavt und dient den Blutsaugern als "Nahrungsvorat". Das ganze Land?

Nein, ein kluger Professor (wer hat da van Helsing gerufen?) und ein Haufen wagemutiger junger Studenten wollen sich nicht vor die Knute der unheimlichen Herrscher spannen lassen und planen den Aufstand. Ein Spion soll ins gräfliche Untotenhauptquartier entsandt werden um zu tun, was Spione so tun und dann im entscheidenden Moment das Signal zum Losschlagen geben, auf das die Revoluzzer das Anwesen stürmen und die Vampire ins Meer treiben können. Ob der Plan wohl so richtig ausgereift ist?

Der junge Jonathan (an wen erinnert dieser Name bloß?) wird dazu auserkoren, eben jene Schlüsselfigur im Kampf gegen das Böse zu werden. Noch in der selben Nacht macht er sich auf den Weg.

Doch schon längst hat sich ein Verschwörer, der die Versammlung der Studenten belauschte, ans Werk gemacht, die Pläne unseres jungen Helden zu stören. Auf dem Weg ins vampirische Domizil wird der schlafende Jonathan seiner Waffen beraubt und sein Kutscher wird ermordet. Nun auf sich allein gestellt, schließt er sich einem vermeintlichen Landsdtreicher an, der aber ein Strohmann der Nosferaten ist und seinen fiesen Charakter alsbald zu erkennen gibt, als er bei erstbester Gelegenheit versucht, unseren Heroen zu meucheln. Dem gelingt es aber, den Miesling zu erdolchen. Frustriert zieht Jonathan weiter. Je näher er an das Schloß der Schurken gelangt, vorbei an Leichenbergen und Ruinen, desto größer wird die Not der ihm begegnenden Menschen. Und diese begegnen ihm nur selten freundlich und zusehends ablehnender.

Als er schließlich das finstere Gemäuer erreicht und sich Zugang verschafft, muß er erkennen, daß der Oberüberbiß sich Jonathans Braut gefügig gemacht hat und sie zu der seinen machen will. Der Eindringling wird entdeckt und zunächst als Gast behandelt, ganz nach dem Willen des dämonischen Grafen. Als er aber versucht die Gefangenen, die im Kerker dahinsiechen, zu befreien wird er selber gefangengenommen und gefoltert. Doch es naht die Rettung: des Professoren junge Wilde stürmen das Schloß, verbünden sich mit den nun befreiten Gefangenen und jagen die Vampire mit Kreuzen und Holzpflöcken ins offene Wasser, was die nun wieder gar nicht mögen. Die Zeit der Schreckensherrschaft ist vorbei.

Geißendörfers "Jonathan" ist in eingeweihten Kreisen fast sowas wie eine Legende, dies hat formal drei Gründe:

a) er ist praktisch nicht mehr erhältlich, ab und an hat man eventuell mal Glück, das man in vereinzelten Stadtbibliotheken eine Kopie ausleihen kann,
b) es handelt sich um das Erstlingswerk eines Mannes, der den meisten Menschen aus einem ganz anderen Grund bekannt ist; Geissendörfer ist Produzent und geistiger Vater der kultisch verehrten "Lindenstrasse". Hat da etwa gerade wer "Oh mein Gott" oder etwas ähnliches geflüstert? Wir gestehen, es vergeht kaum ein Sonntag, an dem nicht auch wir pünktlich um 18:40 vor der Kiste sitzen, wenn nicht, greifen wir auf eine der Wiederholungen in den dritten Programmen zurück, ha! Grund
c) ist die Tatsache, dass der Film bis heute nahezu ausnahmslos wohlwollend von den auch noch so schlauesten Kritikern aufgenommen wurde, fast ehrfurchtsvoll wird immer wieder der Name "Jonathan" geraunt, wenn nach ihrem Lieblingsfilm des Gernes gefragt werden.

Natürlich handelt es sich hierbei auch um einen Film, der ganz klar die Grenzen des Genres sprengt und nicht als reiner Horrorfilm angesehen werden darf.

Ohne Frage ist das Ganze eine politische Parabel mit den Blutsaugern auf der einen Seite als dekadente Unterdrücker, und den rebelliernden Studenten auf der anderen Seite. Gedreht wurde das Werk 1969, also zu Zeiten der APO, Rudi Dutschkes, der Kommune K1 und des Aufbegehrens gegen den Vietnamkrieg und die Generation der Eltern, denen man die Frage stellte, was habt ihr eigentlich so '33 bis '45 getrieben? Die Gesellschaft als solche wurde in Frage gestellt. Der Großteil der Bevölkerung, speziell der ältern sah das freilich völlig anders, man hatte überhaupt keine Lust sich von den Grünschnäbeln, "Gammlern" und "Hippies", "die erst mal arbeiten gehen sollten" sich sein Wirtschaftswunder madig machen zu lassen. Auch diesen Aspekt verarbeitete Geißendörfer in seinem Film, die Landbevölkerung begenet ihren "Rettern", den heldenhaften jungen Studenten mit Mißtrauen, ja Ablehnung. Die Unterdrückten reagieren sich lieber an den jenigen ab, denen es noch schlechter geht.

Eine Geschicht um Unterdrückung und Befreiung in eine Mähr über böse Vampire zu verpacken ist ein cleverer Gedanke, denn wer könnte besser die Dekadenz einer tyrannischen herrschenden Klassem, die "Blutsauger" sozusagen, symbolisieren als die "echten" Blutsauger, die Vampire eben? Hierfür eignet sich natürlich besonders gut Satans Stellvertreter auf Erden, der olle Graf Dracula, den Geißendörfer auch mehrfach fleissig zitiert, die Nennung des Namens allerdings vermeidet.

Lässt man jetzt mal alle politischen Aspekte außen vor und betrachtet den Film als Horror- oder meinethalben Phantastischen Film, so muß man sagen, dass Geißendörfer sich auch durchaus darauf verstand, auf dieser Klaviatur zu spielen! Er bediente sich der üblichen Genresymbolik und lies Kameramann Robert Müller mal schaurige, mal pralle Bilder einfangen, Leichen, Blut und Gedärme gibt es reichlich zu sehen, aber nie in der Totale, hauptsächlich wird hier mit langen ruhigen Fahrten gearbeitet, die zwischen Ekel und Ästhetik pendeln. Das Geißendörfers Vampire mal wieder fröhlich bei Tageslicht umherspazieren, ist wahrscheinlich eine Kostenfrage gewesen, er wird wohl kaum ein großes Budget für sein ambitioniertes Projekt gehabt haben.

Umso erstaunlicher ist das Ergebnis. Manchmal erinnert "Jonathan" an Dreyers surrealistischen "Allan Gray" oder gar an Murnaus "Nosferatu".

Man könnte jetzt sagen, durch seine politische Aussage bleibt der Film etwas moralinsauer und letztlich haben wir hier sowas wie den typischen Vertreter des aus heutiger Sicht doch reichlich angestaubten "neuen deutschen Autorenfilms", klar! Aber 1969 war dem noch nicht so. Auch "Nosferatu" wirkt aus heutiger Sicht völlig veraltet und teilweise absurd und bleibt dennoch ein faszinierenderr Film.

Geißendörfer hat mit wenig Geld einen klugen Schauerfilm mit politischer Message gedreht, das hat er gut gemacht. Punkt.


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