Jonathan
Irgendwo irgendwann in der Vergangenheit: ein schäbiger Landstrich
wird von einer Schar vampirischer Unholde unter Führung eines
draculaesken Despoten nebst zwielichtiger Lakaien ausgebeutet und
tyrannisiert. Die Landbevölkerung ist versklavt und dient den
Blutsaugern als "Nahrungsvorat". Das ganze Land?
Nein,
ein kluger Professor (wer hat da van Helsing gerufen?) und ein Haufen
wagemutiger junger Studenten wollen sich nicht vor die Knute der
unheimlichen Herrscher spannen lassen und planen den Aufstand. Ein
Spion soll ins gräfliche Untotenhauptquartier entsandt werden
um zu tun, was Spione so tun und dann im entscheidenden Moment das
Signal zum Losschlagen geben, auf das die Revoluzzer das Anwesen
stürmen und die Vampire ins Meer treiben können. Ob der
Plan wohl so richtig ausgereift ist?
Der
junge Jonathan (an wen erinnert dieser Name bloß?) wird dazu
auserkoren, eben jene Schlüsselfigur im Kampf gegen das Böse
zu werden. Noch in der selben Nacht macht er sich auf den Weg.
Doch
schon längst hat sich ein Verschwörer, der die Versammlung
der Studenten belauschte, ans Werk gemacht, die Pläne unseres
jungen Helden zu stören. Auf dem Weg ins vampirische Domizil
wird der schlafende Jonathan seiner Waffen beraubt und sein Kutscher
wird ermordet. Nun auf sich allein gestellt, schließt er sich
einem vermeintlichen Landsdtreicher an, der aber ein Strohmann der
Nosferaten ist und seinen fiesen Charakter alsbald zu erkennen gibt,
als er bei erstbester Gelegenheit versucht, unseren Heroen zu meucheln.
Dem gelingt es aber, den Miesling zu erdolchen. Frustriert zieht
Jonathan weiter. Je näher er an das Schloß der Schurken
gelangt, vorbei an Leichenbergen und Ruinen, desto größer
wird die Not der ihm begegnenden Menschen. Und diese begegnen ihm
nur selten freundlich und zusehends ablehnender.
Als
er schließlich das finstere Gemäuer erreicht und sich
Zugang verschafft, muß er erkennen, daß der Oberüberbiß
sich Jonathans Braut gefügig gemacht hat und sie zu der seinen
machen will. Der Eindringling wird entdeckt und zunächst als
Gast behandelt, ganz nach dem Willen des dämonischen Grafen.
Als er aber versucht die Gefangenen, die im Kerker dahinsiechen,
zu befreien wird er selber gefangengenommen und gefoltert. Doch
es naht die Rettung: des Professoren junge Wilde stürmen das
Schloß, verbünden sich mit den nun befreiten Gefangenen
und jagen die Vampire mit Kreuzen und Holzpflöcken ins offene
Wasser, was die nun wieder gar nicht mögen. Die Zeit der Schreckensherrschaft
ist vorbei.
Geißendörfers
"Jonathan" ist in eingeweihten Kreisen fast sowas wie
eine Legende, dies hat formal drei Gründe:
a)
er ist praktisch nicht mehr erhältlich, ab und an hat man eventuell
mal Glück, das man in vereinzelten Stadtbibliotheken eine Kopie
ausleihen kann,
b) es handelt sich um das Erstlingswerk eines Mannes, der den meisten
Menschen aus einem ganz anderen Grund bekannt ist; Geissendörfer
ist Produzent und geistiger Vater der kultisch verehrten "Lindenstrasse".
Hat da etwa gerade wer "Oh mein Gott" oder etwas ähnliches
geflüstert? Wir gestehen, es vergeht kaum ein Sonntag, an dem
nicht auch wir pünktlich um 18:40 vor der Kiste sitzen, wenn
nicht, greifen wir auf eine der Wiederholungen in den dritten Programmen
zurück, ha! Grund
c) ist die Tatsache, dass der Film bis heute nahezu ausnahmslos
wohlwollend von den auch noch so schlauesten Kritikern aufgenommen
wurde, fast ehrfurchtsvoll wird immer wieder der Name "Jonathan"
geraunt, wenn nach ihrem Lieblingsfilm des Gernes gefragt werden.
Natürlich
handelt es sich hierbei auch um einen Film, der ganz klar die Grenzen
des Genres sprengt und nicht als reiner Horrorfilm angesehen werden
darf.
Ohne
Frage ist das Ganze eine politische Parabel mit den Blutsaugern
auf der einen Seite als dekadente Unterdrücker, und den rebelliernden
Studenten auf der anderen Seite. Gedreht wurde das Werk 1969, also
zu Zeiten der APO, Rudi Dutschkes, der Kommune K1 und des Aufbegehrens
gegen den Vietnamkrieg und die Generation der Eltern, denen man
die Frage stellte, was habt ihr eigentlich so '33 bis '45 getrieben?
Die Gesellschaft als solche wurde in Frage gestellt. Der Großteil
der Bevölkerung, speziell der ältern sah das freilich
völlig anders, man hatte überhaupt keine Lust sich von
den Grünschnäbeln, "Gammlern" und "Hippies",
"die erst mal arbeiten gehen sollten" sich sein Wirtschaftswunder
madig machen zu lassen. Auch diesen Aspekt verarbeitete Geißendörfer
in seinem Film, die Landbevölkerung begenet ihren "Rettern",
den heldenhaften jungen Studenten mit Mißtrauen, ja Ablehnung.
Die Unterdrückten reagieren sich lieber an den jenigen ab,
denen es noch schlechter geht.
Eine
Geschicht um Unterdrückung und Befreiung in eine Mähr
über böse Vampire zu verpacken ist ein cleverer Gedanke,
denn wer könnte besser die Dekadenz einer tyrannischen herrschenden
Klassem, die "Blutsauger" sozusagen, symbolisieren als
die "echten" Blutsauger, die Vampire eben? Hierfür
eignet sich natürlich besonders gut Satans Stellvertreter auf
Erden, der olle Graf Dracula, den Geißendörfer auch mehrfach
fleissig zitiert, die Nennung des Namens allerdings vermeidet.
Lässt
man jetzt mal alle politischen Aspekte außen vor und betrachtet
den Film als Horror- oder meinethalben Phantastischen Film, so muß
man sagen, dass Geißendörfer sich auch durchaus darauf
verstand, auf dieser Klaviatur zu spielen! Er bediente sich der
üblichen Genresymbolik und lies Kameramann Robert Müller
mal schaurige, mal pralle Bilder einfangen, Leichen, Blut und Gedärme
gibt es reichlich zu sehen, aber nie in der Totale, hauptsächlich
wird hier mit langen ruhigen Fahrten gearbeitet, die zwischen Ekel
und Ästhetik pendeln. Das Geißendörfers Vampire
mal wieder fröhlich bei Tageslicht umherspazieren, ist wahrscheinlich
eine Kostenfrage gewesen, er wird wohl kaum ein großes Budget
für sein ambitioniertes Projekt gehabt haben.
Umso
erstaunlicher ist das Ergebnis. Manchmal erinnert "Jonathan"
an Dreyers surrealistischen "Allan
Gray" oder gar an Murnaus "Nosferatu".
Man
könnte jetzt sagen, durch seine politische Aussage bleibt der
Film etwas moralinsauer und letztlich haben wir hier sowas wie den
typischen Vertreter des aus heutiger Sicht doch reichlich angestaubten
"neuen deutschen Autorenfilms", klar! Aber 1969 war dem
noch nicht so. Auch "Nosferatu" wirkt aus heutiger Sicht
völlig veraltet und teilweise absurd und bleibt dennoch ein
faszinierenderr Film.
Geißendörfer
hat mit wenig Geld einen klugen Schauerfilm mit politischer Message
gedreht, das hat er gut gemacht. Punkt.
|