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In my Skin   (OT: Dans ma peau)

F, 2003, Farbe, 93 min
 
Regie: Marina De Van
Produzenten: Laurence Farenc
Drehbuch Marina De Van
Musik: E.S.T. (Esbjorn Svensson Trio)
Kamera: Pierre Barougier
 
Marina de Van Esther
Laurent Lucas Vincent
Léa Drucker Sandrine
Thibault de Montalembert Daniel
Marc Rioufol Henri
François Lamotte Pierre


Für Esther, eine junge hübsche Frau um die Dreissig, läuft es gerade richtig gut. Sie ist in ihrem Job als Analystin auf der Überholspur und hat einen ebenfalls recht erfolgreichen Boyfriend, mit dem sie gerade Zukunftspläne vom gemeinsamen eigenen Häuschen schmiedet.

Als sie mit ihren Freunden Pierre und Sandrine eine Party besucht, verletzt sie sich bei einem Spaziergang im dunklen Garten an einem scharfkantigen Metallgegenstand ihr Bein, misst dem aber keine größere Beachtung zu.

Als sie später das Bad aufsucht, erkennt sie das wahre Ausmaß ihrer Verletzung. Eine riesige Schnittwunde zieht sich über ihren Unterschenkel, die Wunde blutet schwer. Vorsichtshalber begibt sich Esther in eine Ambulanz, der behandelnde Arzt kann allerdings nicht verstehen, dass Esther von einer solchen Verletzung nichts bemerkt hat. Ihr Freund am nächsten Tag eben so wenig, doch Esther fühlt sich gut und meint, es sei alles in bester Ordnung.

Doch die Wunde wird mehr und mehr zur Obsession für Esther. Sie beginnt sich selber Schnitte zuzufügen, der Anblick von Blut, speziell ihrem eigenen, erregt sie in unbekannter Weise, schließlich entwickelt sie einen förmlichen Autokannibalismus/-vamprismus. Wegen ihrer Verletzungen, die immer offensichtlicher werden, täuscht sie Autounfälle vor und erfindet allerhand Lügen, doch schon bald wird ihre gefährliche Leidenschaft zur Sucht, die ein normales Leben nicht mehr zulässt. Da Esther in ihrem Umfeld kein Verständnis findet, flüchtet sie schließlich vollends in Isolation und Selbstzerstörung...


Die Filmsaison 2003 war nicht eben arm an Filmen, die so manch einer als ‚ganz schön eklig' bezeichnen mag. Es gab Tarantinos "Kill Bill", in denen abgehackte Gliedmaßen nur so durch die Gegend flogen, Rob Zombies "House of 1000 Corpses" oder das "Texas Chainsaw Massacre" Remake, doch Marina de Vans "Dans ma Peaux", sicherlich der blutigste französische Streifen seit Claire Denis' ähnlich angelegtem Trouble every Day, geht in seiner Darstellung der (Auto) Gewalt noch wesentlich weiter, ist tief verstörend und fürwahr ein Horrorfilm, der zwar nicht von Untoten und irren Werkzeugkillern bevölkert ist, aber dennoch in seiner Art so auch aus der Feder von Horrorpabst Stephen King stammen könnte.

Der Horror bricht unversehens über eine junge erfolgreiche Frau herein, die alles im Leben hat und auf dem Weg nach oben ist, doch ihre blutigen Obsessionen zerstören binnen kürzester Zeit ihr Leben, ein Rückweg ist nicht mehr möglich. Offen bleibt, was Esther dazu treibt, ihren Körper mit Schnitt- und Stichgegenständen zu traktieren, sich tief ins eigene Fleisch zu beißen und ihr eigenes Blut zu trinken um anschließend das Geschehene hinter einem immer größer werdenden Lügengebilde, einem Junkie oder Alkoholiker gleich, zu tarnen, denn ihre Form der Sucht trägt ja offensichtliche Spuren davon. Doch das Warum ist im Grunde nicht wichtig und würde die Radikalität des Films sogar eigentlich noch schmälern, man würde dann sagen können, ok, sie wurde als Kind missbraucht, oder nun ja, sie leidet halt an schleichendem Wahnsinn, doch Marina de Van, Drehbuchautorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin in Personalunion, macht es uns nicht so einfach, und das ist gut so, denn andernfalls wäre der Film nicht so polarisierend und bestimmt auch nicht so schwer verdaulich wie vergesslich.

De Van, die lange mit Regisseur Francoise Ozon ("Acht Frauen", "Swimming Pool") zusammenarbeitete und deren eigenes Regiedebüt vorliegender Titel ist, will nicht einfach provozieren, ich denke ihr Anliegen war eher zu schildern, wie schnell der Untergang kommen kann, wie schnell ein Mensch in die Isolation getrieben werden kann und an einen Punkt kommt, der einmal überschritten, den Weg zurück auf ewig verhindert, quasi vom Fegefeuer in die Hölle in christlicher Mystik gesprochen. Hierbei ist ihre Arbeit der des kanadischen Regisseurs David Cronenberg ("Die Fliege", "Videodrome") in "Crash" gar nicht mal unähnlich, des öfteren musste ich aber auch an Roman Polanskis "Ekel" und an Jörg Buttgereits "Nekromantik" denken, die ja beide auf ihre Weise ganz ähnlich den, sagen wir mal, "Verfall" thematisierten. Somit hat de Van einen der besten modernen Horrorfilme der letzten Jahre geschaffen und zwar einen der funktioniert, wo ihre Kollegin Denis mit "Trouble every Day" leider scheiterte. Einen, der unter die Haut geht, im wahrsten Wortsinn.

Seine Deutschlandpremiere fand der Film übrigens erst Anfang 2004 im Rahmen des Kölner Filmfestivals "he, she, it sucks - Vampirisches im Film" vor leider viel zu kleinem Publikum, doch andererseits handelt es sich auch ganz klar um Minderheitenkino. Meines Wissens nach wartet "In my Skin" noch immer auf einen regulären Kinostart, der Film lief seit Anfang 2003 hauptsächlich auf Filmfestivals rund um den Globus und wurde eben auch dort entsprechend kontrovers aufgenommen. Die Los Angeles Times beispielsweise urteilte, de Vans Film sei einer der wenigen Features überhaupt, das die Darstellung von Gewalt aus intellektueller Sichtweise erforsche und sie nicht zum plumpen Selbstzweck der Unterhaltung preisgäbe, ihre Kollegen von der Ostküste, die NY Times namentlich, lobten Marina de Vans außergewöhnliches Talent als Autorin, Regisseurin und Schauspielerin (auf das die Vampireworld sich direkt anschließe, denn über De Vans gewagte und unheimlich intensive schauspielerische Darstellung der Esther haben wir bisher noch kein Wort verloren. Formidabel, Mademoiselle / Madame de Van!), doch es gab auch genügend Stimmen, die den Film als langweilig abtaten (haben die den eigentlich tatsächlich gesehen oder sind sie nach den ersten 5 Minuten direkt wieder aus dem Kino gegangen?) oder, wie Marty Doskins von den Box Office Prophets, sich daran störten, das der Film mehr Fragen als Antworten liefere und das Warum letztlich unbeantwortet ließ, tja...

Wie gesagt, ein kontroverser Film, der polarisiert und wohl nie ein wirklich großes Publikum ansprechen wird, doch gerade diesen Umstand kann man beinahe gar nicht hoch genug loben, denn wer traut sich denn heutzutage in den Zeiten der Hochglanzproduktionen und vielen zweiten wie dritten Teilen irgendwelcher hocherfolgreichen Hollywoodproduktionen überhaupt noch, so ein Risiko einzugehen? Eben!

Wer jetzt nun denken mag, schön und gut, aber was hat der Film denn eigentlich mit Vampiren zu tun?, dem rate ich, sich demnächst "Underworld" im Kino anzusehen, da kommen noch klassische Vampire vor, die einen nicht zum Nachdenken darüber zwingen, warum ein Film auch sehr viel klassische Vampirsymbolik enthalten kann (quasi als Metapher) ohne einen echten solchen Gesellen zu präsentieren.
Achtung, das war eine Provokation!

       




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