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Der Vampir  von Paris                (OT: Paris-Vampire)

Untertitel Horror-Roman
Autor Claude Klotz
Kategorie Roman
Seitenzahl 127
Format Paperback
deutsche Übersetzung Dolf Strasser
Erstveröffentlichung 1974
Verlag Verlag Ullstein
ISBN-Nummer 3 548 03189 7

Herminie fährt zusammen. Das Geräusch dröhnt noch weiter an an diesem unheimlichen Ort. Es kommt von unten, ist ein unterirdisches Geräusch; irgendwo hat irgend jemand oder irgend etwas eine riesige verrostete Tür zugemacht. Immer noch dieser Lärm unter ihr, als käme er aus einer hallenden Krypta. Ein Schritt.

Ein Schritt nähert sich; jemand geht. Auf sie zu. Der Gong ihres Herzens schlägt im Rhythmus der Schritte.

Hermnies Hände fassen an ihren Hlas, während ihre Knie die Bodenfliesen berühren. Ohne dass sich auch nur ein Hauch bemerkbar gemacht hätte, sind die Fackeln erloschen. In einer Wolke rötlichen Dampfes ist eben der Herr des Hauses erschienen.

Sein Schatten reicht hinauf bis zuu den Kapitellen; einen Augenblick lang schwankt die lange Gestelt. Das Auge erscheint unter der Pupille, und der Bogen der Brauen zieht sich in spitzen Winkeln zu den Schläfen empor. Herminie erkennt ihn: Es ist der Mann auf den Porträts. Langsam lösen sich die Arme der Erscheinung vom Körper, breiten sich aus. Wallend entfaltet sich der schwere, scharlachrote Umhang. "Ich bin Graf Dracula, Fürst der Vampire." Herminie schluckt ihren Speichel. "Sehr erfreut", sagt sie.

In dieser Nacht wurde Ferdinand gezeugt...


Schlechte Zeiten für Vampire: Weil's daheim im guten alten Transsylvanien nicht mehr so besonders gut läuft für die Herren Dracula - Papa Vlad und Filius Ferdinand - seit die Ceaucescous das rumänische Volk knechten, wird beschlossen, dass die Heimat der Ahnen wohl oder weh zu verlassen ist. Ein Exil in Frankreich, dem Land Herminies, Ferdinands menschlicher Mutter, wird angestrebt. Dort allerdings werden sie getrennt, und so versucht der zwar hochintelligente, aber viel zu gutmütige und leider auch zwangsläufig arg weltfremde Ferdinand sich auf eigene Faust durchzuschlagen, was sich allerdings als reichlich kompliziert erweist, denn er hat ja nicht die geringste Ahnung, wie das Leben in einer modernen westeuropäischen Großstadt funktioniert.

So findet er sich alsbald in einer armseligen Bleibe in einem hauptsächlich von Nordafrikanern bewohntem Vorort der Metropole wieder und fristet sein Dasein als Nachtwächter einer maroden Fabrik. Weder die Grundversorgung mit dem lebenswichtigen Hämoglobin noch seine Avancen beim schönen Geschlecht wollen dem Pechvogel Ferdinand gelingen, und als er schließlich auch noch von seinem korrupten Vorgesetzten an die Luft gesetzt wird, wird selbige alsbald reichlich dünn für Dracula junior. Nun auf rasanter Talfahrt bettelt er vor dem Schlachthof um etwas Pferdeblut und sieht sich gezwungen, seinen Sarg im wahrsten Sinne des Wortes zu verheizen. Den Tiefpunkt aber scheint er erreicht zu haben, als er aufgrund eines Missverständnisses zum unfreiwilligen Blutspender wird.

Da begegnet er plötzlich und unerwartet seinem Vater wieder...


Nun, Dir, wertem Leser, kommt die Geschichte irgendwie bekannt vor? Das ist kein Wunder, handelt es sich doch um die hierzulande weitestgehend unbekannte literarische Vorlage der legendären Komödie Die Herren Dracula, welche ja endlich dieser Tage auf DVD erschien. Junge, Junge hatte man auf diesen Release gewartet... Doch auch das Buch wird in Fankreisen gesucht, schließlich wurde es meines Wissens zum letzten mal in Deutschland ungefähr 1975 (oder noch früher) aufgelegt, seinerzeit vom Ullstein Verlag. So war ich auch entsprechend gespannt und begierig darauf, mir das Werk endlich zu Gemüte zu führen nachdem es mir unlängst unerwartet in die Hände fiel, schließlich hatte ich ja nicht die geringste Ahnung, was mich da wohl erwarten würde.

Von Claude Klotz hatte ich noch nie zuvor etwas gehört (geschweige denn gelesen), weiß aber inzwischen, dass es sich hierbei um ein Pseudonym des populären französischen Autoren und Filmkritikers Patrick Cauvin handelt, der vor gar nicht allzu langer Zeit Leser und Kritik mit seinem Buch "Das Blut der Rosen", in dem er das schwierige Thema der Kinderarbeit in Pakistan in eine spannende Thrillerhandlung einbettete, zu begeistern wusste und in Frankreich wochenlang damit die Belletristik Listen anführte. Cauvin / Klotz, der die tristen Pariser Vorstädte sehr wohl kennt, schließlich war er dort in jungen Jahren selber als Französischlehrer tätig, scheint ein ausgeprägtes soziales Empfinden zu haben, und so ist auch "Der Vampir von Paris" nicht wirklich ein Horrorroman, wie der gelbprangende Aufdruck auf dem deutschen Buchcover uns weismachen will, sondern vielmehr beinahe eine so genannte 'Social Story', die das Schicksal eines jungen Ausländers im unbekannten Großstadtmoloch schildert. Das der Held ein Vampir ist, ist eigentlich zweitrangig und fast eher von metaphorischem Charakter, etwa im Voltaire'schen Sinne, wandelt er sich doch im Laufe des Buches vom typischen Landadeligen einer vergangenen Epoche zum "Angry Young Man" mit ausgeprägtem Arbeiterklassen Bewusstsein. Allerdings schildert Klotz diese Metamorphose mit reichlich Augenzwinkern und natürlich tres francaise, was einem im Laufe des Buches doch einiges an Schmunzeln abgewinnen kann. Die grotesken Situationen, in denen Ferdinand immer wieder landet, lassen aber auch durchaus manches Lachen im Halse stecken. Somit ist klar, dass der Humor im Buch aus einer anderen Ecke kommt als im mitunter doch recht klamottigen (aber zweifelsohne guten) Film. Überhaupt weichen Buch und Film doch immer wieder an entscheidenden Stellen voneinander ab, aber diesen Umstand kennt man ja bereits von unendlich vielen Literaturverfilmungen!

Das Buch wirkt aus heutiger Sicht zwar ein wenig antiquiert, das trübt den Lesespaß aber kaum. Claude Klotz hat ein feinsinniges, satirisches und mitunter durchaus heiter melancholisches, kluges Buch geschrieben, das seine Message subtil an den Leser bringt. Somit entspricht sein Stil keinesfalls der deutschen Bedeutung seines selbstgewählten Nachnamens (wenn ihr versteht.) Wer aber Gothic Horror oder gar Splatter erwartet, ist hier gänzlich auf dem falschen Dampfer und sollte auch nicht etwaige horrende Preise in Antiquariaten oder virtuellen Auktionshäusern für das Buch zahlen, auch wenn es wohl eher unwahrscheinlich ist, dass auch das Buch im Zuge des DVD Releases neu aufgelegt wird.



2001 - 2009 by  webmaster@vampire-world.com       Stand: 22.10.2005 Seitenanfang nächste Seite