Wächter
der Nacht
(OT:
Nochnoj Dozor)
AKA:
Night Watch
Seit Anbeginn
der Zeit stehen sich die Anderen, die Hüter des Lichts -
Heiler, weiße Magier, Gestaltenwandler - und die Heerscharen
der Finsternis - Vampire, Schwarzmagier, Hexen und andere schräge
Finsterlinge - als unerbittliche Feinde gegenüber. Als sich
schließlich in einer apokalyptischen Schlacht erweist, dass
keine der beiden Seiten stärker als die andere ist, schließen
die beiden Lager miteinander einen salomonischen Waffenstillstand,
der einen absoluten Ausgleich beiderlei Aktivitäten garantiert.
Auf jede gute Tat muss eine böse folgen, auf jede böse
eine gute. Licht und Dunkelheit vergeben sich seither gegenseitig
Lizenzen, beispielsweise für eine Heilung oder das Verhindern
eines Attentates, für das wiederum im Gegenzug ein Vampir
dazu lizensiert wird, das Blut eines Menschen trinken zu dürfen.
Es herrscht ein Gleichgewicht der Kräfte. Um diese Balance
auf ewig aufrecht zu erhalten, wurden einst die "Wächter
der Nacht" und die "Wächter des Tages" gegründet,
übersinnliche Polizeitruppen, die sich gegenseitig kontrollieren.
Doch einer alten Legende zufolge wird eines Tages ein mächtiger
Anderer erscheinen, dessen Kräfte gewaltig sind. Egal für
welche Seite er sich auch entscheiden wird, ob Licht oder Dunkelheit,
das alte Gleichgewicht würde auseinander gerissen. Eine verheerende
Schlacht, die alles Leben auf der Erde vernichten könnte,
wäre die Folge...
Tausend
Jahre später im Moskau der Gegenwart ist Anton Gorodezki ein
"Nachtwächter", ein Beschützer des Lichts, der
den Auftrag bekommt, den jungen Jegor vor der unlizensierten Attacke
eines Vampirpaares zu beschützen. Zwar gelingt ihm dies, doch
er ist gezwungen, den männlichen Blutsauger nach einem mörderischen
Kampf zu töten. Das verwirrte Kind flieht, doch es befindet
sich noch nicht in Sicherheit, da auch die verwundete Vampirin die
Flucht ergreifen kann und auf Rache sinnt.
Nun
tritt Sebulon, der Anführer der dunklen Anderen, auf den Plan,
der erkennt, dass es sich bei Jegor um den Auserwählten aus
der uralten Prophezeiung handelt. Mit seiner Hilfe will Sebulon
nun das Gleichgewicht zu Gunsten der Finsternis verändern.
Auch Anton, dessen Schicksal unausweichlich mit dem Jegors verbunden
ist, soll seinen Anteil an den perfiden Plänen des finsteren
Meisters haben.
Ein
rasantes Rennen gegen die Zeit beginnt nun, in dessen Verlauf Anton
auch noch einen bedrohlichen Fluch, der über einer jungen Ärztin
schwebt und ganz Moskau zu zermalmen droht, abwenden muss. Letztlich
wird ihm klar, dass er sich um die Balance zu retten zunächst
seinen eigenen Dämonen stellen muss...
Wer
hätte das gedacht? Die größte Überraschung
der laufenden Saison kommt ausgerechnet aus Mütterchen Russland,
das man ja als Kinonation so gar nicht mehr auf der Pfanne hatte.
Zu Sowjetzeiten gehörte der Kinobesuch für die dort lebenden
Menschen noch zum Standard, er versprach etwas Abwechslung für
wenig Geld und nahezu jede größere Ansiedlung verfügte
über ein Lichtspielhaus, während über die Dörfer
weiland die fahrenden Kinematographen mit jahrzehnte alten schlecht
untertitelten Hollywood-Schinken tingelten. Immerhin ging damals
ein Russe im Schnitt rund 20 mal pro Jahr ins Kino (im Vergleich
hierzu ein Deutscher nur rund 4 mal), doch dann brach bekanntlich
die UDSSR zusammen und die freie Marktwirtschaft liebte fortan nur
noch, was den Rubel rollen ließ und verschlang so viele Kinos,
dass am Ende der 90'er Jahre im gesamten riesigen russischen Staatsgebiet
nur noch rund 70 Filmtheater übrig waren (im Vergleich hierzu
würde ich mal vorsichtig schätzen, dass allein im Großraum
Rhein Ruhr mehr Kinos existieren.)
Filme
zu drehen gehörte fortan nicht mehr unbedingt zu den lukrativsten
Unternehmungen in Russland, denn anspruchsvolle Produktionen für
den eigenen Markt schienen den Aufwand nicht zu lohnen und international
betrachtet rechnete man sich kaum großen Chancen aus. Dennoch
hatten Konstantin Ernst, größter Filmproduzent Russlands
und Leiter der Sendeanstalt "Kanal 1", und Karen Shakhnazarov,
Generaldirektor des Moskauer Filmstudios "Mosfilm", die
Vision, das russische Kino neu entstehen zu lassen und produzierten
gleich selbstbewusst mit "Nochnoj Dozor" den größten
russischen Blockbuster aller Zeiten. In Russland spielte der Streifen,
der für ein an amerikanischen Verhältnissen gemessen geradezu
lächerliches Budget von vier Millionen $ entstand (von denen
ein nicht unerheblicher Teil aus den Werbetöpfen eines Mobiltelefonherstellers
wie eines Instantkaffeebrauers geflossen sein dürften) mit
rund 16 Millionen $ locker mehr ein als Filme wie "Star Wars",
"Herr der Ringe" oder auch "Harry Potter", was
aber gar nicht sooo sehr verwundert, denn zum einen ist der Film
gewiss eine Zier, die die russische Seele streichelt (das sag ich
jetzt einfach mal so und meine das auch lieb!), zum anderen schlug
bereits die literarische Vorlage (hier) von Sergej Lukianenko, dem
erfolgreichsten russischen Science Fiction und Fantasy Autoren der
Gegenwart, alle Rekorde in Russland.
Lukianenko
schrieb dann auch gleich zusammen mit Regisseur Timur Bekmambetow,
einem Mann, der sich wie so viele talentierte Leute aus dem Regiefach
zuvor hauptsächlich mit Werbung und Videoclips sein Geld verdiente,
das Drehbuch, das allerdings nicht an allen Stellen dem Buch entspricht,
denn vieles wurde gestrafft und einiges gänzlich geändert.
Es schien auch, dass Bekmambetow von vornherein eine ganz klare
Vorstellung davon hatte, wie der Film am Ende aussehen sollte, und
diese Vorstellung ging nicht immer mit Lukianenkos Vorgabe konform
(zumindest meinem Empfinden zufolge nicht), denn der Regisseur verpasste
dem Film einen coolen modernen Look, der einstweilen an Blade,
Underworld oder auch ein wenig an "Matrix"
erinnert, dennoch aber eigenständig genug und nicht gar so
gelackt und durchgestylt wie die amerikanischen Produktionen daher
kommt. Dafür sorgt schon allein die morbide Atmosphäre
des winterlichen Moskaus. Der gebrochene und nicht allzu sympathische
Held Anton, der übrigens hier deutlich nicht dem literarischen
Vorbild entspricht, ficht seine Kämpfe gegen die "Finsteren"
in heruntergekommenen Hausfluren und kaputten Hinterhöfen aus,
die "Lichten" düsen in abgewrackten Lastern der Stadtwerke
statt mit schmucken Hightech Sportwagen umher.
Etliche
Dinge aus dem Buch hat man vermutlich aufgrund des knappen Budgets
nicht besser hinbekommen können. So sind auch sicherlich einige
der Spezialeffekte nicht ganz auf der Höhe der Technik, was
aber völlig ok geht, schließlich ist mir gerade in dem
Bereich solide Handwerkskunst allemal lieber als der digitale Overkill
manch einer Hollywoodproduktion. Über kleine Fehler wie zum
Beispiel über das schlecht sitzende Latex Make up der Vampirin
auf der Hatz nach Jegor oder latente Peinlichkeiten wie die in Zeitraffer
gedrehten Verfolgungsjagden mit den flammendem Auspuffrohren sehen
wir mal geflissentlich hinweg. Und obschon (gerade wenn man das
Buch nicht gelesen hat) der Film einstweilen etliche Fragen offen
lässt und an manchen Stellen eine nur schwer nachvollziehbare
Handlung zu bieten hat, so ist "Nochnoj Dozor" doch ein
kleines finsteres Meisterwerk geworden und unglaublicherweise mal
eben der beste Vampirfilm des Jahres, wenn er auch kein reiner solcher
und insgesamt vielleicht doch eher dem Fantasy Genre zuzuordnen
ist. Gut, ich gebe zu, man muss nicht wirklich ein Schelm sein,
um Arges bei der Handlung zu denken, will sagen, wer sich vielleicht
einstweilen an George Lucas Jedisoap mit dem finsteren Asthmatiker
erinnert fühlen mag, dem kann ich das nachfühlen, aber
auch der goldnasige Lucas war ja kein alleiniger kreativer Genius,
dem die Inspiration nur so in den Schoß purzelte, denn auch
und gerade er hat ja seinen Sternenkrieg überall zusammengeklaut,
von Eschenbachs "Parsifal" über die Grimmschen Märchen
bis hin zu allerlei fernöstlichen Philosophien. Gut gegen böse
ist halt nicht mehr die allerneueste Idee, funktioniert aber immer
wieder prächtig!
Interessanterweise
haben die "Wächtern der Nacht" solche Wellen geschlagen,
dass man auch recht bald in Europa und den US von A auf sie aufmerksam
wurde. Die 20th Century Fox sicherte sich die internationale Vermarktung
und startete die größte Werbekampagne für einen
internationalen Film in der gesamten Firmengeschichte, in Deutschland
wird der Film von Pro7 präsentiert und mit großen Gewinnspielen
bedacht und entsprechend beworben. Man setzt also große Hoffnungen
auf den Film, der als erster Teil einer Trilogie konzeptiert wurde.
Der zweite Teil, "Wächter des Tages", soll schon
abgedreht sein, und da man diesmal einige internationale Partner
an Bord hatte dürfte sich das Budget sicherlich vervielfacht
haben. Es wird gemunkelt, der dritte Teil solle ausschließlich
mit amerikanischem Geld in den Staaten gedreht werden, komplett
in englisch. Dann wird man allerdings vermutlich auf die für
uns noch ziemlich unverbrauchten russischen Schauspieler verzichten
und sie durch amerikanische ersetzen müssen, was sicherlich
kein allzu geschickter Schachzug wäre. Es wird aber auch gemunkelt,
die Fox plane ein komplett amerikanisches Remake zu der Saga, in
der die Handlung, was Wunder, kurzerhand in die USA verlegt wird
und vermutlich Stars vom Kaliber eines Nicolas Cage oder Brad Pitt
mit den Hauptrollen betraut werden dürften. Dabei ginge allerdings
zweifelsohne viel vom rauen Charme des Originals verloren. Aber
noch ist es ja nicht so weit. Jetzt lesen erst mal fleißig
alle Lukianenkos Buch, bei dem man zugegeben ein paar Längen
umschippern muss, es lohnt sich aber dennoch!, und dann freuen wir
uns auf die Fortsetzung dieses vielversprechenden Einstands, gelle?
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