28
Weeks later
Wir
erinnern uns an 28 Days later:
Das Rage-Virus hat das UK entvölkert. Die Untertanen ihrer
Majestät Lisbeth sind samt und sonders zu tollwütigen,
kanibalistischen Untoten mutiert. Da das menschliche Leben, wie
es mal war, von den "Zombies" aber komplett vernichtet
wurde, gab es ergo irgendwann nix mehr zu futtern für diese,
so sind sie inzwischen dahin, fatale Nulldiät für Untote!
So was hatten wir auch noch nicht!
Nun, 28 Wochen nach den schrecklichen Ereignissen, wird die Möglichkeit
für ein Leben in Groß Britannien wieder als gegeben erachtet.
Der Erreger gilt als ausgelöscht, die Leichen sind weggeräumt,
und US Truppen sollen die Wiederbevölkerung des ehemaligen
Königreiches sichern. Unter den Wiederkehrern sind auch der
junge Andy Harris und seine Schwester Tammy. Sie werden von ihrem
Vater Don empfangen, einem Verwalter der neuen Ordnung, der einst
auf der Flucht vor den Infizierten seine Frau Alice im Stich ließ,
die er tot glaubt. Allzu lange soll das heile Familienidyll im New
England nicht Bestand haben, denn die beiden Teenager büxen
aus dem gesicherten Stadtkern aus, um ihrem alten Haus, welches
in einer Sperrzone liegt, einen Besuch abzustatten und sich von
dort, sentimental wie Mensch nun mal ist, lieb gewonnenen Nippes
aus der Vergangenheit abzugreifen. Auf dem Dachboden machen die
beiden eine erschreckende Entdeckung: ihre vermeintlich tote Mutter
Alice hockt dort in einer Ecke, heruntergekommen und apathisch,
ein Schock für die Kinder!
Längst
hat der gut geschmierte Überwachungsapparat der Militärs
das Eindringen der Kids in die Sperrzone bemerkt, sie werden wieder
ihrem Vater zugeführt, der nun in arge Erklärungsnot gerät,
hatte er doch seinen Kindern erzählt, er habe gesehen, wie
Alice gestorben sei. Alice selber, die ganz offensichtlich Infiziert
ist, aber nicht an den Folgen der Krankheit leidet, also nicht zu
einem rasenden Kannibalen mutiert ist, wird in eine hermetisch abgeriegelte
Quarantänestation verfrachtet. Offenkundig besitzt sie eine
genetische Immunität dem Virus gegenüber. Don, getrieben
von seinem schlechten Gewissen, verschafft sich Dank seiner Schlüsselkarte,
die er als Verwalter besitzt, Zugang zu der Quarantänestation
und bittet Alice um Verzeihung für sein Verhalten. Sie küssen
sich, dabei wird das Virus auf Don übertragen, der sogleich
zu einer rasenden Bestie mutiert. Er tötet Alice, flieht und
fällt mehrere Zivilisten und Soldaten an, die nun ihrerseits
ebenfalls infiziert sind. Die Situation droht außer Kontrolle
zu geraten, schnell setzt die Militärführung ihren Plan
B in Kraft: auf alles schießen, was sich bewegt!
Der Sniper Doyle
und die Militärärztin Scarlet schlagen sich auf die Seite
der Flüchtenden. Sie versuchen Tammy und Andy zu retten, doch
inzwischen wimmelt London wieder von den Rage-Infizierten. Zudem
beginnt das Militär, die Stadt systematisch unter Brandbombenbeschuss
zu nehmen. In einem abseitigen Park kommen die Flüchtenden
zunächst zur Ruhe. Scarlet offenbart Doyle, dass die Kinder
der Schlüssel zur Heilung des Virus sein könnten, da ihre
Mutter zwar infiziert war, doch die Krankheit bei ihr nicht zum
Ausbruch kam. Ein verzweifelter Überlebenskampf beginnt
Man wusste ja
im Vorfeld nicht so recht, ob man sich nun freuen oder es eher schei
schade finden sollte, dass Danny Boyles/Alex Garlands genialer moderner
Klassiker "28 Days later" fortgesetzt
werden sollte, zumal relativ bald klar, Garland wird nicht das Drehbuch
schreiben und Boyle nicht auf dem Regiestuhl sitzen. Stattdessen
würde Boyle nur als Executive Producer fungieren, was letztlich
nicht viel mehr bedeutet, als das er das Projekt mit seinem guten
Namen unterstützt. Warum dies so ist, lässt sich ganz
leicht erklären: es handelt sich nicht etwa um die berühmten
künstlerischen Differenzen mit den Geldgebern, die zu melken
gedenken so lange die Kuh Eier legt (oder so) oder daran, dass Boyle
mit dem Kommerzialismus, der oft einen schalen und abgestandenen
Geruch auf Fortsetzungen erfolgreicher Formate, gerade im Bereich
der Phantastik, hinterlässt (schade eigentlich, man hätte
sich das doch gewünscht, aber, oh, Gott Mammon
), so seine
Probleme gehabt hätte, das offenbar nicht! Es lag schlicht
an der Tatsache begründet, dass Mr. Boyle mit der Produktion
seines SciFi Projekts "Sunshine" beschäftigt war.
Okay, kann ich auch mit leben, immerhin hat er diese neue Herausforderung
vorgezogen, zudem ist's ein guter Film geworden, aber das ist sowieso
eine andere Geschichte!
Wie auch immer, der Rezensent fürchtete ehrlich eigentlich
zunächst ein Fiasko! Erste Hoffnungen jedoch auf einen möglicherweise
doch noch gelungenen zweiten Teil mit einer eigenen Handschrift
nährte der Umstand, dass der talentierte junge spanische Regisseur
Juan Carlos Fresnadillo, der auch am Drehbuch mitarbeitete, sich
des Projektes annahm. Bald erfuhr ich, der große Robert Carlyle
werde eine der Hauptrollen übernehmen, und hey, einen richtig
schlechten Film unter Mitwirkung von Herrn Carlyle habe ich noch
nicht gesehen. Sollte also doch noch was Ordentliches bei der ganzen
Sache aus dem Kraut schießen? Als schließlich erste
Trailer im Netz auftauchten war ich halbwegs beruhigt, da ging also
doch was! Und was?
Na ja, sagen
wir es mal so:
Gewiss hat weder meine Wenigkeit noch vermutlich sonst ein Fan "28
Days laters" erwartet, dass Fresnadillos Sequel Boyles
Original würde toppen können, und das ist ihm freilich
auch nicht gelungen! Aber, und schon allein für den ersten
Punkt gebührt dem Mann Respekt, er hat den Karren nicht nur
nicht vor die Wand gesetzt, wie so viele angenommen hatten, sondern
darüber hinaus auch seine Vision unheimlich mitreißend,
knallhart und gleichermaßen engagiert inszeniert. Zwar ist
die Story nicht unbedingt ein Ausbund an Originalität wie Kreativität,
doch sie transportiert, wie schon das Original, durchaus den Geist
des geistigen Vorbilds, nämlich der guten alten Romero Trilogie
(und da soll jetzt keiner kommen und behaupten, das sei nicht so!),
die zwar inzwischen zu einer Tetralogie angewachsen ist mit Land
of the Dead, doch letzteren Streifen möchte ich eigentlich
gern ausklammern. Überhaupt, Romero, man halte sich mal vor
Augen wie Day of the Dead sich im
Vergleich zu Dawn of the Dead verhält
bzw. funktioniert. Ähnlich darf man das Verhältnis von
"Weeks" zu "Days" beschreiben. Auf der einen
Seite hat man den Ehrfurcht gebietenden, innovativen und radikalen
Vorgängerfilm, auf den eine ganze Zeit später eine quasi
Fortsetzung folgte, welche im Falle Romero aufgrund verschiedener,
nicht nur von ihm selbst verschuldeten Umstände er nicht so
zu gestalten vermochte, wie er sich das ursprünglich gewünscht
hatte. Bei Fresnadillo war sogar ein komplett anderes Team am Start.
Auf der anderen Seite hat man sowohl bei "Day
of the Dead" wie bei "28 Weeks later" Filme,
die für die geneigten Freunde der Südsee völlig okay
gehen sollten, die sich aber am Klassiker/Kultstatus ihrer Vorgänger
messen lassen müssen, ganz klar! Ich will nicht sagen, da kann
man als Filmemacher nur verlieren, aber zumindest lässt sich
schwer siegen!
Was zudem ein
wenig stört, ist der politische Rundumschlag, den der scheinbar
recht zornige junge Fresnadillo etwas überambitioniert in ähnlicher
Weise mit der derben Holzkelle unter sein Publikum prügelt
wie Meister Romero selbst es in "Land
of the Dead" tat, wenngleich der Spanier doch etwas subtiler
zu Werke ging als der Altmeister des Politsplatters es in seinem
arg enttäuschenden "Land" tat.
Wenn bei Fresnadillo die US Truppen zum gnadenlosen Halali blasen
und alles niedermähen, was sich bewegt, dann denken wir unwillkürlich
an die Kriegsschauplätze in Irak, Vietnam und Afghanistan.
Das macht Sinn, und das funktioniert auch und lässt den Zuschauer
Zorn empfinden. New London ist nichts anderes als die schöne
neue Welt des perfekten Überwachungsstaates. Auch hier kann/muss
man im Prinzip wieder eher Parallelen zu "Day
of the Dead" ziehen, der natürlich noch dem Geist
einer anderen Zeit entstammt, aber ähnlich funktioniert, doch
das haben Fresnadillo und sein Team gut in die Gegenwart transponiert.
Die aktuelle Situation des "War against Terrorism" drängt
sich förmlich auf. Die böse Staatsmacht zeigt ihre hässliche
Fratze im vermeintlichen Sinne der allgemeinen Sicherheit. Es ist
aber letztlich dennoch ein wenig zu simpel und abgeschmackt, all
dies wie immer der bösen, bösen Staatsmacht zuzuschreiben.
Verschwörung, ick hör dir tappsen! Kann man tun, ist aber
doch irgendwie zu simpel. Außerdem vermag Fresnadillo nicht
in gleicher Weise wie seinerzeit Danny Boyle und sein genialer Kameramann
Anthony Dod Mantle den Bildern einen ähnlichen "Realitätslook"
zu verpassen, der eben "Days" so beängstigend machte,
genau weil er manchmal so aussah, als sehe man die Filmbilder tatsächlich
in einem ARD "Brennpunkt" oder dem "Heute-Journal".
Fresnadillo arbeitet hier stattdessen häufig mit hipper Wackelkamera
und zum Teil so schnellen Schnitten, das man dem Gezeigten mitunter
nur schwer folgen kann. Da wollte er wohl etwas viel eigene Handschrift
einfließen lassen, allerdings wäre weniger in dem Fall
doch mehr gewesen.
Aber genug gemeckert,
ansonsten hat Fresnadillo alles richtig gemacht. Vor allem gelungen
ist die Tatsache, dass sich kein großer Bruch zum ersten Teil
auftut. Die Handlung knüpft sich an und wird klug weitererzählt.
Einzig verwirrend ist hierbei vielleicht der Umstand, dass sich
die Untoten. oder meinethalben die Infizierten, plötzlich bei
Tageslicht bewegen können, dies war im ersten Film nicht der
Fall. Ist dies wichtig? Nun, zumindest führte dies im ersten
Teil dazu, dass wie wir die Rage Zombies "vampirisierten".
Andererseits wird die tödliche Gefahr durch die Rage-Infizierten
nun so noch dramatischer. Es gibt keine trügerische Sicherheit
mehr. Dieser Punkt geht also für mich vollkommen okay.
Noch ein Wort
zu den Schauspielern. Robert Carlyle, meiner Meinung nach einer
der besten britischen Schauspieler seiner Generation, hat hier einmal
mehr einen sehr mutigen und gleichermaßen gelungenen Auftritt
als Don, der zunächst feige seine Frau zurücklässt
und sein eigenes Heil in der Flucht sucht und später für
den erneuten Ausbruch der Seuche verantwortlich ist. Carlyle gibt
einen unheimlich überzeugenden rasenden Zombie, den er mit
unglaublicher Intensität spielt. Carlyle ist allerdings auch
ein Schauspieler, der stets nach Herausforderungen sucht, exemplarisch
seien seine Rollen als Begbie in "Trainspotting", als
Male Stripper in "The Full Monthy" oder sogar als Adolf
Hitler im TV Zweiteiler "Der Aufstieg des Bösen"
genannt. Der traut sich was, der Carlyle! Rose Byrne als Scarlet
wirkt etwas stoisch, kommt aber nicht schlecht, da sie ihre Rolle
eben so anlegt. Jeremy Renner überzeugt als tough Guy mit Herz
am rechten Fleck. Harold Perinneaus Rolle als Pilot Flynn ist ein
wenig zu klein geraten um wirklich Akzente zu setzen, dafür
machen die beiden jungen Darsteller Imogen Poots und Mackintosh
Muggleton als Dons Kinder eine wirklich gute Figur.
Machen wir einen
Strich und schauen was drunter bleibt: Juan Carlos Fresnadillos
Vision der "28" Saga, für die nun Danny Boyle ankündigte
wieder selber einen dritten Film drehen zu wollen um die Trilogie
rund zu machen, ist ein rasanter, sehr dramatischer und in weiten
Teilen überaus gelungener Film, der zwar manchmal etwas überambitioniert
daherkommt und nicht ganz die Klasse des Vorgängers erreicht,
dennoch als intelligent bezeichnet werden muss, und doch auf alle
Fälle den dem Genre Geneigten begeistern dürfte. Was mehr
kann man einem Film abtrotzen, der ursprünglich von den Fans
als rein kommerzielles Abklatschkino belächelt worden ist,
als schale Geldmaschine? Eben, guten Job gemacht, nur ganz knapp
am Kultstatus vorbei, den Boyles Erstling innehat. Mal schauen,
wie der Grandsigneur Boyle sich beim dritten Streich schlagen wird
und ob er noch eine Kelle mehr aus dem Zylinder zaubern wird. Wäre
ja klasse
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