Von
Fledermäusen und Vampiren
Untertitel |
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Herausgeber |
Simone Frieling |
Kategorie |
Geschichten
und Gedichte |
Seitenzahl |
126 |
Format |
Paperback |
deutsche
Übersetzung |
|
Erstveröffentlichung |
2003 |
Verlag |
Inselverlag
Frankfurt am Main und Leipzig |
ISBN-Nummer |
3-458-34641-4 |
Die
Räselhaftigkeit der Fledermaus hat die Dichter zu allen Zeiten
fasziniert und hre Phantasie angeregt. Ovid, Äsop, Ingeborg
Bachmann, Christian Morgenstern, Günter Grass, Wislawa Szymborska
und viele andere erzählen von Fledermäusen und Vampiren
in Fabeln, Märchen und Gedichten.
"Fledermaus,
Fledermaus,
Flederhund, Flederlaus,
Fledergeist, Flederwisch,
weder Fleisch, noch Fisch.
Weder
Fleisch, noch Fisch,
Fledergeist, Flederwisch,
Flederhund, Flederlaus,
Fledermaus, Fledermaus.
Augen
matt, Stirnen platt -
Mißgeschöpfe, fürwahr!
Wer aber hat, wer aber hat
In jedem Ohr ein Radar?!"
So dichtete
dereinst Rainer Kunze über das seltsame Tier in seinem "Jammerlied
der Fledermäuse mit Troststrophe", und trifft es wohl
ganz gut, denn ihren schlechten Ruf vermochte die Fledermaus - was
ja ohnehin nur ein Sammelbegriff für die reiche Vielfalt der
säugenden Hautflügler ist - bis heute nicht vollständig
abzulegen. Immerhin schreiben wir mittlerweile das 21. Jahrhundert,
Menschen leben im Weltall auf orbitalen Forschungsstationen, ein
weltumspannendes gigantisches Computer-Netzwerk verbindet den Planeten
und spuckt per Maus-Klick einen Wissensschatz aus, welcher in seiner
Fülle nicht in 10.000 Bibliotheken zu finden sein mag, riesige
Fernrohre lassen uns in die Unendlichkeit blicken, beinahe bis zum
Urknall; aber die Fledermaus, die kommt uns immer noch komisch vor.
Die ist so hässlich und düster, sie fliegt nur bei Nacht
und ihr Flug wirkt irgendwie wahnsinnig, sie schläft mit den
Füßen von der Decke hängend, eine bizarre Umkehrung
des Natürlichen! Einige von den Biestern ernähren sich
tatsächlich vom Blut anderer Lebewesen, beispielsweise die
südamerikanische Desmodus Rotundus, die zudem noch für
manche Tollwutepidemie in den tropischen Breiten verantwortlich
gemacht wird, und wenn sie keinen Lebenssaft schlabbern, dann verfangen
sie sich in den Haaren und das war's dann mit der Lockenpracht
.
Klar, wir wissen
natürlich alle, dass dies nur Geschwätz ist. Fledermäuse
verfangen sich nicht in Haaren, sie weichen mit ihrem unglaublichen
Radarsinn jedem Hindernis im rasanten Flug aus, schneller als der
tollkühnste Testpilot sind sie wieder davon und nicht ein Härchen
sitzt am falschen Fleck. Außerdem verwandeln sie sich ganz
bestimmt nicht nachts in blutrünstige übernatürliche
Parasiten, zumal die Fledermäuse unserer Breiten ohnedies nicht
größer als eine menschliche Hand sind. Sie mögen
höchstens ein paar Insekten Kopfschmerzen bereiten, von denen
ernähren sie sich nämlich, aber der gemeine Mensch sollte
doch vor ihnen eigentlich nichts zu befürchten haben, oder?
So pappen wir
uns Aufkleber auf die Autos auf denen steht, "Schützt
die Fledermäuse!", oder machen mit der netten Öko-Tante
vom Umweltladen um die Ecke auch schon mal einen Ausflug in eine
nahe gelegene Höhle oder ein altes Gemäuer in der Stadt,
in der sich eine Kolonie der Flattertiere eingenistet hat und schauen
ihnen beim Schlafen zu, wie sie da so von der Decke hängen.
Begegnet uns aber unverhofft in der Dunkelheit eine Fledermaus,
saust vielleicht über unseren Kopf hinweg, nachdem wir abends
den Wagen im Hinterhof geparkt haben, so zucken wir zumeist dennoch
zusammen, denken an Dracula und die Vampire, uns fallen Begriffe
wie "Schattenwesen" ein, oder "Flüchtling des
Lichts" (aus Dan Pagis' Gedicht "Fledermäuse",
welches wir - natürlich - auch im vorliegenden Bändchen
finden), und grinsen dann vielleicht über unseren Schreckmoment
und der kurzen Zeitreise zu den Steinzeitinstinkten. Aber das beweist
uns nur, irgendwas haben wir da noch im Hinterkopf
Simone Frieling
nahm sich als Herausgeberin dieser kleinen Anthologie den Fledermäusen
an, trug Gedichte und kurze Geschichten, lustiges und schräges,
schauriges und versöhnliches aus allen Epochen der Literaturgeschichte
zusammen, um uns diesen fliegenden Fremdling ein wenig näher
zu bringen.
Wie das immer
bei Büchern dieser Art ist, gibt es natürlich auch hier
Licht und Schatten. Manches erscheint überflüssig und
auch mitunter ein wenig willkürlich zusammengestellt, dafür
gibt es aber auch den einen oder alten Bekannten in diesem Büchlein
wieder zu finden (beispielsweise den überaus geschätzten
Charles Baudelaire
mit seinem Gedicht Der
Vampir oder auch Alexej Tolstoi, der dem aufmerksamen Besucher
der Vampire-World ebenfalls kein Unbekannter sein dürfte.)
Frau Frieling hat sich in ihrer Auswahl aber durchaus redlich bemüht
und nicht nur auf altbekanntes gebaut, und so ließ sich aus
Sicht des Rezensenten tatsächlich auch noch einiges entdecken
in diesem hübschen Büchlein.
Freilich, von
besonderem Interesse für den Vampirfreund ist natürlich
der vierte und letzte Teil des Buches, der mit "Fräulein
Drakula - Von Fledermäusen und anderen Vampiren" überschrieben
ist und neben den Werken besagter Herren auch noch (unter anderem)
solche von Ted Hughes, Friedrich Nietzsche, Hans Carl Artmann oder
Ingeborg Bachmann bereithält.
Ob all das nun
dazu führt, dass der Leser die Fledermaus fortan mit anderen
Augen sehen wird, das vermag ich nicht zu beurteilen, aber letztlich
geht es darum auch eigentlich nicht wirklich, denn wer sich eine
etwa 130 Seiten lange Anthologie zu dem Thema für 6,50 €
gönnt, der ist den Tierchen ohnehin wohl gesonnen und nennt
wohl auch und sogar gerade eine gewisse Faszination für das
Düstere und Abseitige sein Ding. Solche Zeitgenossen haben
ja zumeist durchaus auch einen Sinn für Lyrik, und eben diese
Menschen werden "Von Fledermäusen und Vampiren" mögen.
Wer der Lyrik eher abgeneigt ist, der wird an dem Buch keine Freude
haben und sollte dann vielleicht eher zu einem Sachbuch zum Thema
greifen.
Allen anderen
wollen wir noch schnell Hans Carl Artmanns "Seht, die flinke
Fledermaus" aus dem Buch mit auf den Weg geben:
"seht,
die flinke fledermaus,
wie sie durch die wolken saust,
wie sie drin im mondlicht schwebt,
s mäulchen ganz von blut verklebt.
fängt sie euch an eurem haar,
ists geschehen ganz und gar
gleich um euch, sie trägt euch fort,
durch die luft nach fremdem ort,
wo ein schlößlein ist ihr hort.
Drinnen wohnt sie ganz allein,
hat ein rotes kämmerlein,
lebt vom blut der äderlein,
schon seit vielen hundert jahr,
bringt sie kinder in gefahr,
und in transsylvania,
wo sie schon so mancher sah,
heißt sie fräulein drakula."
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