Sanguis
B
Untertitel |
Vampire
erobern Köln |
|
Autor |
Bernard
Craw |
Kategorie |
Roman |
Seitenzahl |
411 |
Format |
Paperback |
deutsche
Übersetzung |
|
Erstveröffentlichung |
2005 |
Verlag |
Johannes
van Aaken Verlag |
ISBN-Nummer |
3-938244-09-7 |
Die Erfüllung
unserer Zivilisation. Die Brutalität des Neuen. Die Nachwehen
der Ethik. Die Verlängerung der Nahrungskette. Der Taumel der
letzten Dämmerung. Die Freiheit der Bestien. Der träumende
Wahn. Das Sehnen der Macht. Der Teufel im Menschen. Der Kampf gegen
das Verlöschen. Das Hoffen in der Finsternis. Sanguis B.
Die schöne
Stadt Köln dieser Tage:
Seltsame Mordfälle häufen sich, Gewalt und Panik greifen
um sich. Bald ist von einer "Vampirepidemie" die Rede.
Mittendrin erwischt es auch die Studenten Thomas, Doro, Epi, Christoph
und Ottmar, die frisch infiziert plötzlich als untote Wiedergänger
zwar zunächst mit gemischten Gefühlen schließlich
dennoch dem Blutrausch verfallen und auf ihre (noch) menschlichen
Mitbürger mörderische Hatz machen. Als immer mehr Untote
die nächtlichen Straßen der großen Städte
unsicher machen, die staatliche Kontrolle zusammenbricht und die
menschliche Zivilisation am Vorabend ihres jüngsten Tages steht,
ermächtigen die überforderten Regierungen ihre Militärs
zu tun, was immer das Kommiss-Gehirn an Ideen hervorbringt, um der
Situation wieder Herr zu werden. Die Folge: Bürgerkrieg und
Folter allenorten. Doch nicht einmal der Einsatz modernster Waffentechnik
kann den Untergang der Welt as we know it verhindern - die Vampire
übernehmen die Macht!
Und was geschieht
nach dem Ende? Auch im Untot bleibt der Mensch (oder was von ihm
noch übrig ist) nicht nur ein archaisches, sondern auch und
sogar vielmehr noch ein korrumpierbares, ein gieriges Biest, das
nach Macht und Haben geilt. So reißen alsbald einige besonders
skrupellose Blutsauger despotisch die Macht an sich, schmücken
sich mit Titeln wie "Herzog" und führen ein feudalistisches
Kleinstaatentum ein, Revierkämpfe und Kleinkriege inklusive.
Die letzten lebenden Menschen werden als Blutreserven wie Schlachtvieh
gehalten.
Inmitten dieses
Wahnsinns erfindet die junge ehemalige Medizinstudentin Epi den
Blutersatzstoff Sanguis B, der möglicherweise das kommende
Ernährungsproblem der Blutsauger lösen könnte, denn
der Tag ist nicht mehr allzu fern, da wird es keine Menschen mehr
geben. Möglicherweise wäre auf diesem Wege sogar eine
friedliche Koexistenz der beiden Spezies denkbar und die Menschheit
erhielte eine neue Chance, eine Möglichkeit, die aber nicht
im Interesse aller steht, wie sich bald herausstellt, denn von der
Stadt Düsseldorf aus verbreiten sich ungute Neuigkeiten über
den unheimlichen "Ersten", den angeblichen Stammvater
aller Vampire, der sich anschickt, das Volk der Blutsauger zu einen
und die Herzöge und falschen Propheten vom Erdenrund zu fegen.
Während
in Köln nach der vermeintlich neuen Ordnung, der Schreckensherrschaft
der "Herzogin" Lola und der Auflehnung dagegen, wieder
Anarchie und Chaos herrschen, machen sich Ottmar und Thomas auf
nach Düsseldorf, um das vielleicht letzte entscheidende Gefecht
der Weltgeschichte auszukämpfen und den "Ersten"
zu stellen.
Auf dem Gelände
der riesigen Kölner Raffinerie soll sich schließlich
das Schicksal der Welt entscheiden
Bevor ich irgendeinen
anderen Satz schreibe, möchte ich Herrn Craw schon mal von
Herzen danken und ihn ausdrücklich knuddeln, und zwar dafür,
dass er sich nicht wie so unzählig viele andere Jungautoren
in die Legionen der Wiederverwerter Anne Rice'scher Ideen und Gedanken
eingereiht und kein ach so düster romantisches Machwerk, in
dem es nur so wimmelt von ganz doll in wen auch immer verliebten,
edlen, blond gelockten und engelsgleichen Barockvampiren, verfasst
hat, sondern vielmehr ein dystopisches Endzeitszenario entworfen
hat, dass mitunter beinahe ein wenig an die Visionen eines George
A. Romero zu seinen besten Zeiten gemahnt. Sicher, ganz neu ist
das Garn, das Craw hier spinnt, nicht, man schaue sich nur Filme
wie 28 Days later an oder bei besagtem Herrn Romero nach, man lese
Richard Mathesons "I am Legend" von 1954 oder finde eine
Vielzahl anderer Beispiele, die ich jetzt aber nicht alle listen
muss. Allerdings, und das macht die Sache schon wieder interessant,
schildert Craw die ganze Geschichte nicht etwa aus der Sicht eines
verzweifelten kleinen Trüppleins überlebender Menschen,
die sich gegen die Blutsauger zur Wehr setzen, sondern eben aus
der Sicht seiner vampirischen "Helden", die versuchen,
irgendwie mit den neuen Gegebenheiten zurecht zu kommen, dabei völlig
unterschiedliche Wege gehen, um am Ende aber doch für das gleiche
Ziel zu kämpfen.
Craw teilt das
Buch in drei Teile ein, die er gut durchdacht und klug mit "Infektion",
"Ausbruch" und "Therapie" überschreibt.
Im ersten Teil bekam er seine an sich gute Story noch nicht so recht
in den Griff. Die Figuren blieben statisch und eindimensional, waren
bestenfalls unsympathisch. Nach etwa 60 oder 70 Seiten aber begann
mich das Buch in seinen Bann zu ziehen, die Charaktere begannen
allmählich nachvollziehbarer zu werden. Ihre Zweifel und Bedenken,
aber auch die Hingabe an den Jagdinstinkt, den Blutrausch, und das
schlechte Gewissen nach begangener Mordtat und gestilltem Blutdurst
ließen den Leser das Dilemma nachempfinden, in dem die Figuren
stecken. Im Laufe der Geschichte musste man sich von der einen oder
anderen Hauptfigur wieder verabschieden (von welchen wollen wir
hier mal aus Gründen der Diskretion verschweigen), was das
Buch aber nur umso besser macht.
Das Kernstück
bildet der zweite Block, der "Ausbruch", der eine Apokalypse
schildert, die so gewiss niemals jemand erwartet hätte, was
auf der "realen" Ebene der Geschichte wunderbar funktioniert!
Das diese ausgerechnet in des Rezensenten Heimatstadt Köln
spielt, beziehungsweise der Handlungsfaden dort aufgenommen wurde,
weil sie ja aus der Sicht eben jener Protagonisten geschildert ist
und diese nun mal hier leben, geht für mich vollkommen in Ordnung.
Hätte man vor vielleicht 10, 15 Jahren noch Probleme damit
gehabt, sich in den geordneten Verhältnissen deutscher Großstädte
den Armageddon, Mord, Totschlag und Fucking in the Streets (wenn
man so will) vorzustellen, was wohl vordergründig mit der jahrzehntelangen
Berieselung durch US Katastrophen/Action/Horrorproduktionen zu tun
hat, die keinen Zweifel daran ließen, dass das Leben dort
drüben echt gefährlich sein muss, während wir hier
ein doch eher trutschiges Dasein führten. Passierte dennoch
mal was, so kamen ganz schnell ein Herr Derrick oder ein seit Jahrzehnten
sportiver Privatdetektiv Matula (immerhin hat er Generationen von
Anwälten überlebt und ermittelt noch immer mit gefühlten
80 Lebensjahren und dauerblonder Günther Netzer Gedächtnisfrisur
im urbanen Dschungel von Frankfurt/Main, ein Untoter?) um ganz schnell
wieder für Ordnung zu sorgen. Doch gar so behäbig ist
das alles inzwischen nicht mehr! Auch hierzulande kann man sich
einstweilen des Eindrucks nicht mehr so vollkommen erwehren, dass
die Einschläge der Geschosse globaler Geschütze näher
und näher kommen, wenn der werte Leser dies verstehen mag,
dem 11. September (wenn auch stattgefunden in den US von A), den
Anschlägen von London und Madrid, den Amokläufen der letzten
Jahre, gigantischen Zäunen um Treffpunkte mächtiger Männer
und Frauen und last not least, auch den Medien, den reißerischen
Schlagzeilen der kunterbunten Printblätter, den Verschwörungstheorien
des www und natürlich dem Privatfernsehen mit seinen gruseligen
Streifen über Flutwellen vor Sylt, Tentakelmonstern im Bodensee
oder Flammenkatastrophen in irgendwelchen Hochhäusern zu Berlin,
Frankfurt oder Köln ist's geschuldet, dass man sich inzwischen
auch die eigene Nachbarschaft als Hort des Entsetzens vorstellen
kann! Doch zurück zum Wesentlichen.
In besagtem Kapitel des Buches jedenfalls verdichten sich die Ereignisse
und es ergeben sich insgesamt Homogenität und Rasanz, auch
wenn vielleicht nicht jedes Klischee immer ganz erfolgreich umschifft
wird, doch das geht in Ordnung so, weshalb man den Mittelteil des
Buches insgesamt wohl zum Besten zählen darf, was die deutsche
Phantastik (im weiteren Sinne) literarisch in den letzten Jahren
zu bieten hatte.
Leider bekommt
Craw die Kurve dann nicht mehr so recht im letzten Drittel seines
Romans, in dem die Logik schon mal arg bemüht wird und der
Focus eher auf Action gerichtet ist, was aber in letzter Konsequenz
auch nicht zu 100% zu Ende gedacht zu sein scheint. Die Lösung,
die zugleich den Ursprung
- doch halt, so viel soll hier gar
nicht verraten werden - ist nicht wirklich gelungen, man kann aber
durchaus damit leben. Das offene Ende der Story schreit beinahe
nach einer Fortsetzung, wobei mir nicht klar ist, ob der Autor dies
beabsichtigt hat. Ferner ist mir nicht so recht klar, ob es mir
gefallen würde, wenn er tatsächlich eines schönen
Tages genau dies täte, nämlich eine Fortsetzung zu verfassen.
Dies würde wohl nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen tatsächlich
auch funktionieren, will sagen, würde er weiter dem (durchaus)
philosophischen Ansatz des Buches folgen und die Story aus der Perspektive
anderer Individuen weiter erzählen, was aber nicht zwingend
bedeuten müsste, dass die uns inzwischen vertrauten Gestalten
aus "Sanguis B" dann nicht mehr auftreten dürften,
nur sollte die Geschichte aus einer anderen Sicht weitererzählt
werden. So würde ich es vielleicht machen, wäre ich der
Autor, aber das ist wie gesagt nur meine Meinung!
Ziehen wir also
ein Fazit:
Craws literarischer Erstling ist gleichermaßen ein action-
wie ideenreiches Stück Endzeit-Vampir-Horror mit philosophischen
Denkansätzen, die aber nicht darüber hinwegtäuschen
können, dass wir es doch "nur" mit literarischem
Fast Food (wenn man so möchte) zu tun haben, das allerdings
durchaus unterhaltsam, einstweilen sogar richtig finster und atmosphärisch
von seinem Autor zubereitet worden ist. Dass er die Geschichte in
seiner deutschen Heimat angesiedelt hat, mag dem US-Sehgewohnheitsfanatiker
ein Dorn im Auge sein, wer aber nach Abwechslung strebt, dem dürfte
dieser Umstand gefallen.
Der Anfang und das Finale werden der ansonsten guten Geschichte
leider nicht ganz gerecht, fast meint man gegen Ende manchmal sogar
herauszulesen, dass der Autor sich für seine Geschichte nicht
mehr so recht zu erwärmen wusste und er froh war, diese dann
endlich zum Abschluss bringen zu können, aber vielleicht war
dies nur mein Eindruck.
Dennoch, insgesamt gut gemacht, schön eigenständig und
unbequem und fernab allzu ausgetretener Pfade. Habe mich gut unterhalten
gefühlt. Respekt. Mehr davon!
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