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Das geheime Leben des László Graf Dracula  (OT: The Secret Life of Laszlo Count Dracula)

Untertitel  
Autor Roderick Anscombe
Kategorie Roman
Seitenzahl 446
Format Hardcover
deutsche Übersetzung Charlotte Franke und Sabine Lohmann
Erstveröffentlichung 1994
Verlag C. Bertelsmann Verlag GmbH, München
ISBN-Nummer 3-570-12197-6

László, der schüchterne jüngere Bruder des Grafen Dracula, reist 1866 als Medizinstudent nach Paris. In der Stadt der Liebe entdeckt er erstmals die Blumen des Bösen - eine in ihm schlummernde mörderische Gier nach Blut.

Roderick Anscombes Roman, in dem die Gestalten der Nacht verzweifelt gegen ihre dunklen Triebe ankämpfen, ist suggestive Psyschostudie, historischer Roman und hocherotische Geschichte in einem. Eine meisterliche Neuerzählung des Dracula-Mythos.

"Ein Roman von erschreckender Schönheit" - THE NEW YORK TIMES


Der junge ungarische Aristokrat Laszlo Dracula hat sich der Medizin und der Psychologie verschrieben. Im Jahre 1866 begibt er sich nach Paris um eine Stelle als Assistensarzt im Krankenhaus Salpetiere anzutreten und bei dem bekannten Professoren Charcot, einem Pionier auf dem Gebiet der Hypnose, zu studieren.
Zudem verspricht er sich auch auf anderem Terrain einiges von seinem Aufenthalt in der Seine Metropole, denn seine Cousine Nicole, in die er bereits seit frühester Jugend heimlich verliebt ist, lebt mit ihren Eltern ebenfalls in Paris. Auf einer Soiree, die seine Tante hält, trifft er den österreichischen Millionärssohn und Tunichtgut Lothar von Pick, der Laszlo unter seine Fittiche nimmt und zu allerlei "Schandtaten" verführt, die darin gipfeln, dass der junge Ungar die schöne Stacia, die sowohl seine Geliebte wie seine Patientin als auch eine Edelprostituierte ist, in einem Anfall von Eifersucht und Unbeherrschtheit ersticht und dabei in einen wahren Blutrausch verfällt. Noch bevor die Behörden einschreiten können, ruft ihn sein Onkel nach Ungarn zurück, denn Laszlos älterer Bruder Georg, der den Titel des Grafen innehatte, ist auf dem Schlachtfeld gegen die Preußen gefallen, nun ist Laszlo der Graf. Schleunigst muss er daheim die Angelegenheiten in Ordnung bringen, entsprechend übereilt reist er aus Paris ab.

20 Jahre gehen ins Land. Laszlo ist inzwischen ein angesehener Mann, der Gutsherr seines Städtchens im transylvanischen Hinterland, der das Familienunternehmen erfolgreich saniert hat und der Gegend bescheidenen Wohlstand einbrachte, indem er für eine Eisenbahnanbindung sorgte. Als Arzt praktiziert er nicht mehr. Er hat Elisabeth, die Witwe seines Bruders geehelicht, doch Liebe oder Leidenschaft finden in der Bindung nicht statt, entsprechend blieb das Paar kinderlos. Das alles hat auch seinen Grund, denn kurz vor Stacias Tod wurde Laszlo seinerzeit gesteckt, sie habe sich mit der Syphillis, der Geißel des 19. Jahrhunderts, infiziert, die zwangsläufig zu Wahnsinn und Tod führe. Doch da nach all den Jahren nicht die geringsten Symptome erkennbar sind, ist sich Laszlo sicher, verschont geblieben zu sein.

Nun bricht die alte Unrast in ihm wieder hervor. Recht bald lässt er sich auf eine Affäre mit der Tochter des Bäcker- und Bürgermeisters Theissen ein, der er in Budapest eine Wohnung einrichtet und sie dort "aushält". Als er aber entdeckt, dass das Mädchen ihn offenbar nur benutzt und in Wahrheit ein Techtelmechtel mit einem jungen Beamten hat, dreht er durch, er erdolcht die Unglückliche und trinkt wie von Sinnen ihr Blut. Nun beginnt der Graf sein wahres Ich endlich zu erkennen. Seine Gier wächst und wächst, und wie ein Aal windet er sich aus allen Verdächtigungen des naiven Inspektoren Kraus heraus, der den Mordfall bearbeitet. Und Laszlo mordet weiter.

Inzwischen hat zwar seine Frau Elisabeth längst einen der Morde beobachtet und auch den besten Freund der Familie, den örtlichen Priester Georg, ins Vertrauen gezogen, doch die beiden machen keinerlei Anstalten, Laszlo bei den Behörden anzuzeigen. Statt dessen versuchen sie sein Seelenheil zu retten, indem sie ihn Buße tun lassen als eine Typhusepidemie im Tal ausbricht. Der örtliche Arzt fällt der Seuche zum Opfer, Laszlo, der ja ebenfalls ein Doktor und schlimmstenfalls etwas aus der Übung ist, übernimmt dessen Funktion. Tag und Nacht ist er im Einsatz, die Bevölkerung hält ihn für einen Heiligen, doch die Morde setzen sich fort. Die Rede von einem Vampir macht die Runde...

Als die Epidemie im Frühjahr des folgenden Jahres überstanden zu sein scheint, kündigt sich Besuch an: Cousine Nicole und Lothar von Pick, die inzwischen lange verheiratet sind, besuchen die Draculas. Und sie haben ihre 17jährige Tochter Stephanie dabei, die Laszlo bald eindeutige Avancen macht.

Als plötzlich Pater Gregor als Hauptverdächtiger der Vampirmorde festgenommen wird, überstürzen sich die Ereignisse, die schließlich auf ein ganz und gar blutiges Finale hinauslaufen, welches in der Form sicherlich niemand erwartet hätte...


So etwas wie Gerechtigkeit scheint tatsächlich nicht zu existieren, ganz wie der Autor es in seinem Buch ja manches mal anklingen lässt, denn wäre dies der Fall, so hätte Roderick Anscombe einen absoluten Weltbestseller mit seinem Buch "Das geheime Leben des Laszlo Graf Dracula" landen müssen. Ich behaupte jetzt einfach mal so frank und frei, dieses Buch ist das grandioseste, welches ich seit Jahren gelesen habe. Kein Buch der letzten Jahre vermochte mich in ähnlicher Form zu fesseln.

Anscombe, desen Debütroman vorliegender Titel ist (unglaublich!), ist jedenfalls wie sein Held - oder vielmehr sein Antiheld - Laszlo, Psychologe und Mediziner, das heißt, der Mann weiß relativ genau, über was er schreibt, und er gewährt uns einen Blick in die Seele seiner tragischen Bestie, lässt uns teilhaben an dessen Abgründen und Überlegungen, seinem inneren Konflikt, indem er uns Einblicke in das Intimste des Grafen gewährt, in sein Tagebuch. Nun ist die Form des Tagebuchromans fürwahr keine neue, tatsächlich war dieser gerade im 19. Jahrhundert eine reichlich populäre Ausdrucksform, und auch ein anderer Autor, der sich mit dem Dracula-Mythos auseinandersetzte, namentlich freilich Bram Stoker, griff schon auf dieses Stilmittel zurück, doch legten die meisten Autoren, wie eben auch Stoker, ihre Geschichten so an, dass die "Guten", die "aufrechten" Jäger der Bestie stets ihren Kampf mit dem "Bösen", dem Vampir oder wem auch immer, schilderten. Immer führten die van Helsings und Jonathan Harkers das Tagebuch. Hier nicht, und genau das macht das Buch so schmerzlich, fesselnd und beeindruckend, wie es im literarischen Subgenre des Vampirmärchens selten zuvor eines gab.

Wenn man aber nun schreibt, der "Laszlo Dracula" sei ein Vampirroman im "üblichen" Sinne, dann tut man dem Autor freilich Unrecht, denn in seiner gesamten Geschichte haben wir es zu keinem Zeitpunkt mit übersinnlichen und / oder untoten Wesen zu tun, sondern nur mit einem kranken Mann, der einem aber dennoch irgendwie ganz sympathisch ist. Tatsächlich ist Laszlo die einzige aufrechte und charakterstarke Figur im gesamten Buch. Zwar mordet er grausam, aber er bereut seine Taten und hasst sich dafür. Er wäre froh, wenn ihm und seinen Trieben endlich jemand Einhalt gebieten würde, doch niemand vermag dies. Seine Frau und sein Freund decken ihn, weil sie kein Interesse an einem Skandal haben und zudem glauben, sein Seelenheil noch retten zu können. Der Inspektor ist zu simpel gestrickt und zu obrigkeitsanbiedernd. Zwar hält er den Grafen für den Täter, doch ist er froh, als er der Öffentlichkeit einen anderen Mann als "Vampirmörder" präsentieren kann. Der durchtriebene von Pick denkt nur an seinen Vorteil und welchen Nutzen er aus seinem etwaigen Wissen um Laszlos Untriebe ziehen kann. Oder der fanatische Oberst Rado, der einer Seperatistenorganisation vorsteht und Dracula nur für seine Zwecke missbraucht. Was der ansonsten treibt, interessiert Rado wenig, Hauptsache es steht nicht seinen Zielen im Wege. Sie alle könnten Laszlo aufhalten, doch keiner tut es. Deshalb geht das Morden immer weiter...

Eine besondere Stärke Anscombes liegt dann auch in der Schilderung seiner Charaktere, die man sich alle direkt bildhaft vorstellen kann. Ein wahrhaftes Panoptikum menschlicher Abgründe begenet einem hier, und Anscombe hat selbst die unwichtigsten Nebenfiguren noch perfekt ausgearbeitet.

"Das geheime Leben des Laszlo Graf Dracula" ist ein ganz und gar faszinierender und mitunter auch sehr verstörender Roman und sollte unbedingt gelesen werden. Ich bin mir sicher, dass jeder Leser, der sich für psychologischen Horror interessiert, ebenso empfinden wird, aber auch die Gothic-Fans kommen auf ihre Kosten und selbst die Freunde historischer Romane sollten sich angesprochen fühlen. Letztlich ist das Buch rückwirkend betrachtet sogar von schelmenhafter Augenzwinkerei durchdrungen, denn Dracula fragt sich in einem seiner letzten Tagebucheinträge, wie ihn wohl die Nachwelt in Erinnerung behalten wird, ob als patriotischen Edelmann oder doch als Monster, wenn sein Tagebuch eines Tages gefunden und gelesen werden wird. Wie die (fiktive) Nachwelt mit Draculas Geschichte umging wissen wir: Ein Jahrzehnt nachdem Laszlo Draculas Tagebuch endete, veröffentlichte ein bis dahin nicht allzu bekannter aus Irland stammender Schriftsteller namens Stoker die Tagebücher der Häscher des Grafen Dracula, jenem unheimlichen, mächtigen Herrscher der Nacht aus den transsylvansichen Wäldern - eine weitere brillante Idee, die in diesem Meisterwerk steckt.

Bleibt letztlich nur die Frage, weshalb eigentlich bislang noch niemand auf die Idee kam, dieses geniale Buch zu verfilmen, wo doch sonst jeder Schwachsinn, der drei Exemplare auf dem Buchmarkt verkauft hat, zu einem Hollywood-Blockbuster aufgebläht wird? Ich hätte durchaus eine Menge Ideen diesbezüglich, wen man da besetzen könnte und wer da prima auf den Regiestuhl gepasst hätte, doch leider ist es nicht an mir...


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