Accumulator
1 (OT:
Akumulatór 1)
Tschechische
Republik, 1994, Farbe, 100 min |
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Regie:
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Jan
Sverak |
Produzenten:
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Peter
Soukup |
Drehbuch: |
Jan Sverák, Zdenek Sverák, Jan Slovak, |
Musik: |
Ondrej
Sokup, Jiri Svoboda |
Kamera: |
Frantisek
A. Brabec, |
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Petr
Forman |
Olda |
Edita Brychta |
Anna |
Zdenek
Sverák |
Fisarek |
Boleslav
Polívka |
Slezak |
Jirí
Kodet |
Mikulik |
Ingenieur Olda
ist, obschon noch recht jung an Jahren, ein ziemlich antriebsloser
Außenseiter, der sich auch schon mal kommentarlos vom vorlauten
Kollegen die Traumfrau ausspannen lässt. Seine Abende verbringt
er wie Millionen Zeitgenossen allein vor dem Fernseher. Dies hat
beinahe tödliche Folgen für Olda, denn seit er eines Tages
im Rahmen einer Straßenbefragung selber gefilmt und über
den Äther ausgestrahlt wurde, verfällt er zusehends. Als
Olda nicht mehr aufstehen kann und in eine Art Todesschlaf fällt,
wird er entdeckt, er landet schließlich im Hospital.
Dort erholt
er sich nur langsam, bis er schließlich dem Naturheiler Fisarek
begegnet, der Olda totalen Energieverlust diagnostiziert. Unter
Fisareks Anleitungen, die Olda zu Bäumen und in türkische
Bäder führt, blüht er richtiggehend auf und lernt,
wie ein menschlicher Akkumulator natürliche Energiequellen
anzuzapfen, die Energie zu speichern oder im Bedarfsfall auch wieder
abzugeben. Alles könnte wunderbar sein, doch trifft Olda irgendwo
auf den Kathodenstrahl eines eingeschalteten Fernsehgerätes,
ist es vorbei mit der neugewonnenen Vitalität, die "Glotze"
wirkt sich als mysteriöser "Energiesauger" aus, als
parasitärer High Tech Vampir, wenn man so will, die den armen
Olda jedes Mal in einen auslaugenden Tiefschlaf versetzt.
Dies stellt
Olda vor allerlei Probleme, denn wie will man den Alltag bewältigen
bei der allgegenwärtigen Omnipräsenz der Flimmerkisten,
die einem schier überall auflauern? Zudem bandelt Olda gerade
mit der schönen Zahnärztin Anna an, und da kommt es gar
nicht gut, wenn einen im entscheidenden Moment der Bannstrahl der
Braunschen Röhre ins Koma wirft.
Entschlossen
nimmt der ehemals lethargische Ingenieur den ungleichen Kampf gegen
das mächtige Medium auf, und bekommt hierbei unerwartete Hilfe
von seinem "ätherischen Doppel"...
Nein, hier laufen
dem werten Zuschauer keine blassen Damen und Herren über den
Weg, die schwarze Capes tragen und lange spitze Zähne in weiße
Hälse schlagen um den roten Lebenssaft ihrer Opfer zu schlürfen,
dennoch haben wir es hier mit einem "Vampirfilm" zu tun.
Einem doch reichlich unkonventionellen Vertreter seiner Zunft zwar,
aber das macht die Sache ja nur um so interessanter, vorausgesetzt
man kann sich für Vampirfilme der anderen Art begeistern und
ist kein "Dracula-Puritaner", um es jetzt mal so zu titulieren.
Und das wir es hier mit einem in jeglicher Hinsicht "phantastischen"
Film zu tun haben, daran kann gar kein Zweifel bestehen.
Dem Zufall ist
es geschuldet, dass wir des Films überhaupt ansichtig geworden
sind, denn zugegebenermaßen war uns "Accumulator 1"
zuvor vollkommen unbekannt. Doch es begab sich eines schönen
und eher ereignislosen Abends, dass das Fernsehprogramm überflogen
wurde, wo Südwest 3 sei Dank ein tschechischer "Science
Fiction" Film namens "Accumulator 1" angekündigt
wurde, was ich grundsätzlich schon mal interessant fand. Auf
den Titel konnte man sich so gar keinen Reim machen, und irgendwie
erwartete man vielleicht irgendwas Stanislav Lem oder Josef Nesvadba
mäßiges, was ja auch nichts schlechtes gewesen wäre,
recht schnell erwies es sich dann aber, das es sich hierbei eher
nicht um SciFi handelte (oder allerhöchstens in groben Ansätzen),
sondern vielmehr um eine raffinierte, durchgeknallte, witzige und
charmante Mediensatire, die ich in dieser Form garantiert nicht
erwartet hatte.
Dass das Fernsehen
Mensch zu einem passiven und antriebsarmen Wesen zu machen in der
Lage ist, welcher sich bis zur Verdummung 24/7 von Banalitäten
und Monstrositäten des alltäglichen Wahnsinns berieseln
lassen kann, sollte eigentlich gerade denjenigen klar sein, die
ihre Freizeit damit verbringen, sich zwischen Daily Talk, Home Shopping
und Call-In-Gewinn-Shows gern noch einmal das Glas nachzuschenken
(na na na, nicht so herablassend grinsen, den ganzen Tag vor dem
Rechner zu sitzen ist auch nicht eben origineller), wobei sich zwangsläufig
die Frage stellt, haben wir es bei TV mit einem Medium zu tun, welches
den Konsumenten bewusst nach dem "Opium für das Volk"
Prinzip stimuliert oder eben mit der bedeutendsten Form von Massenkommunikation,
die allein der Wahrhaftigkeit unterworfen ist? (bedenke, der Film
stammt aus dem Jahre 1994, da steckte das www noch in den relativen
Kinderschuhen.)
Doch wie auch
immer, der Parallelwelt des Fernsehens vampirische Züge zu
verleihen, welche durch die Flimmerkiste als Medium dem Menschen
seine Lebensenergie abzwackt, ihn also "aussaugt", ist
eine verflucht brillante Idee und man fragt sich, wieso eigentlich
noch nie jemand zuvor auf diesen doch eigentlich naheliegenden Gedanken
verfallen ist, hierüber einen Film zu drehen. Falls das doch
schon einmal geschehen ist, ist dies auf jeden Fall aber am Rezensenten
vorbei gegangen.
Wer also im
Fernsehen auftritt, ist im Prinzip verloren. Hierbei entsteht nämlich
ein Abbild der eigenen Person, eben ein "ätherisches Doppel"
im wahrsten Sinne dieser alten metaphysischen Idee. Jedes Mal nun,
wenn die betreffende Person fernsieht, stiehlt das Fernsehdouble
die Lebensenergie des "echten" Menschen, der sich irgendwann
zu Tode "glotzt". Der Doppelgänger hingegen bleibt
uns auf ewig erhalten, ist sozusagen unsterblich weil er im Fernsehen
"lebt", oder sollte man sagen, er führt eine "untote"
Existenz, weil er ja nur noch ein zweidimensionales seelenloses
Siegelbild ist?!? Auch da kommen mir zwangsläufig direkt wieder
die Vampire in den Sinn, oder?
Das osteuropäische
Kino ist doch stets für Überraschungen gut. Leute wie
Emir Kusturica, der immer wieder mit seinen schrägen Balkanfilmen
begeistert, gehören ohnehin längst zu den etablierten
Filmemachern der kompromisslosen Art, und gerade unlängst freuten
wir uns ja noch über den gelungenen polnischen "Wenn Vampire
lieben" von Grzegorz Warchol, der allerdings nicht mehr ganz
taufrisch ist. Das schöne Tschechien hat ja ohnehin eine ganz
eigene Filmtradition, die die meisten von uns schon zu Kindertagen
mit der "Märchenbraut", "Pan Tau" und all
den Grimmschen Märchen zu faszinieren wusste. Gerade heute
profitieren wieder unzählige internationale Produktionen vom
tschechischen Know How, niemand weiß, wie viele Filme jährlich
dort entstehen, man spricht von Prag auch als "Hollywood an
der Moldau". Somit ist also für ein kreatives Umfeld gesorgt,
welches ansonsten in Europa höchstens noch in London, Paris
oder Rom zu finden ist. Jan Sverak, Regisseur und Mitautor von "Accumulator
1", bekam die Kreativität ohnehin schon in die Wiege gelegt,
denn sein Vater Zdenek Sverak gehört als Schauspieler, Autor
und Dramaturg zu den absoluten Größen der tschechischen
Gegenwartskultur. Mit selbigen, hier war er übrigens ebenfalls
als Mitautor am Screenplay beteiligt und gab als Darsteller den
eitlen Naturheiler Fisarek, drehte er auch seinen größten
Erfolg, den großartigen "Kolya", für den er
1996 den Oscar als besten ausländischen Film erhielt.
Neben dem großen
Zdenek Sverak sollen natürlich auch die anderen Darsteller
nicht ohne Erwähnung bleiben, denn ausnahmslos alle Beteiligten
machten ihre Sache ganz fantastisch. Petr Forman, der den Olda wirklich
famos und mit viel Spaß an der Figur interpretiert, ist ein
gestandener Schauspieler, der ebenfalls aus einer großen tschechischen
Künstlerfamilie stammt, sein Vater ist niemand geringerer als
Milos Forman, der Regisseur solcher filmischen Großtaten wie
"Einer flog übers Kuckucksnest" oder "Amadeus"
(auch dafür gab es einen Oscar), und auch die hübsche
und irgendwie süße Eddita Brychta als Zahnärztin
Anna weiß mit ihrem natürlichen und patenten Spiel zu
überzeugen.
Fazit: All die
vielen guten, skurillen und aberwitzigen Ideen des Films wiederzugeben,
würde wirklich jeglichen Rahmen sprengen. Allein wie sich die
Figur des Olda entwickelt, könnte schon Gegenstand eines eigenen
Essays sein. Ist er am Anfang ein Bilderbuchloser, so wird er im
Verlauf des Films zu einem "Actionhelden", der sich mit
einer Vielzahl von Fernbedienungen wilde Gefechte mit den Fernsehgeräten
liefert und am Ende als lonesome Cowboy ein einsames Finale in High
Noon Manier mit dem übermächtigen Gegner liefert, jedoch
nie seinen Humor verliert. Am Ende wartet dann die Liebste... Oder
Fisarek, der große Natur-Guru, der in der Bergwelt der Tatra
zum Opfer seiner Allergien wird und zu allem Überfluss am Ende
doch noch selber Gegenstand einer Fernsehausstrahlung wird. Das
alles ist richtig, richtig klasse!
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